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Das letzte Theorem

Das letzte Theorem

Titel: Das letzte Theorem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pohl Clarke
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Antworten lauteten unweigerlich: »Die Haut wird warm«, oder »Die Sonne brennt ein bisschen.« Danach begann sie mit ihrem Vortrag. »Sicher, aber da gibt es noch etwas, dessen Auswirkungen so gering sind, dass Ihr Körper sie nicht wahrnimmt. Die Lichtteilchen der Sonne, die auf Ihre Haut treffen, üben auch Druck aus. Er ist schwach, aber überzeugen Sie sich bitte selbst, was ein wenig Druck schon bewirken kann.«
    Dann nahm sie ein paar Quadratmeter Sonnensegel und warf die Folie in Richtung des Publikums. Der silbrige Film wand und drehte sich wie Rauch in der Luft, um dann getragen von der Strömung, die die Körperwärme der anwesenden Menschen erzeugte, an die Decke des Saales zu schweben. Nach dieser Demonstration fuhr sie fort: »Sie können sehen, wie leicht das Segel ist. Das mehrere Quadratkilometer große Segel meiner Yacht wird nicht mal eine Tonne wiegen. Aber es genügt vollauf, um den Sonnenwind aufzufangen, und zwar so lange, bis die Impulskräfte der Lichtpartikel so groß werden, dass das Segel sich in Bewegung setzt … und das Rigg meine Diana mitzieht. Die Beschleunigung ist minimal - sie beträgt weniger als ein Tausendstel Ge -, aber lassen Sie sich von mir aufklären, was dieser jämmerlich geringe Druck bewirkt.«
    An dieser Stelle schaltete sie meistens eine Kunstpause ein, um die Aufmerksamkeit des Publikums zu erhöhen.
    »In der ersten Sekunde bewegt sich die Diana nur um einen halben Zentimeter nach vorn. Sogar noch etwas weniger, denn da sich das Rigg zuerst einmal strecken muss, bleibt die Messung ungenau.«

    Dann drehte sie sich zu dem Bildschirm an der Wand um und schnippte mit den Fingern, um ihn einzuschalten. Zuerst zeigte er das gewaltige Rund des Segels, und nach einer Weile wurde ein Bildausschnitt so weit vergrößert, dass man die Passagierkapsel sah; sie war kaum größer als eine Duschkabine und würde während des Wochen dauernden Wettrennens Natasha beherbergen.
    Wenn sie glaubte, dass die Zuschauer das Display ausreichend lange betrachtet hatten, machte sie mit ihrem Vortrag weiter. »Eine Minute später lässt sich die Bewegung jedoch schon deutlich erkennen. Mittlerweile haben wir bereits zwanzig Meter zurückgelegt, und die Geschwindigkeit beträgt fast einen Kilometer pro Stunde … und bis zum Mondorbit sind es nur noch ein paar Hunderttausend Kilometer.«
    Bei dieser Bemerkung fingen die Zuhörer meistens an zu kichern. Freundlich lächelnd wartete Natasha, bis wieder Stille eingekehrt war, und fuhr dann fort: »Das Tempo ist gar nicht mal so schlecht, wissen Sie. Nach einer Stunde haben wir uns immerhin sechzig Kilometer von unserem Ausgangspunkt entfernt und bewegen uns mit einer Geschwindigkeit von einhundert Stundenkilometern. Und vergessen Sie nicht, wo wir sind! Das Ganze findet im Weltraum statt, wo es keine Atmosphäre gibt, also auch keinen Reibungswiderstand. Sobald man etwas in Bewegung setzt, bewegt es sich immer weiter, und nichts kann es verlangsamen, bis auf die von entfernten Objekten ausgehende Schwerkraft. Sie werden überrascht sein, wenn Sie hören, welche Geschwindigkeit unser Segler bereits am Ende des ersten Renntages erreichen wird, denn je länger der Druck durch den Sonnenwind andauert, umso rasanter wird die Geschwindigkeit, weil ja nichts da ist, was eine Bremswirkung ausüben könnte. Und deshalb rasen wir schon nach einem Tag mit annähernd dreitausend Stundenkilometern durchs All, angetrieben vom Druck der Lichtpartikel, den Sie hier auf der Erde nicht einmal fühlen!«

    Und es war ihr gelungen, die Leute für ihr Projekt zu erwärmen. Zum Schluss hatte sie alle Welt davon überzeugt - zumindest die Personen, die als Sponsoren infrage kamen, die Entscheidungsträger. Stiftungen, Privatleute, die Schatzämter dreier großer Nationen (und die von etlichen weniger reichen Ländern) hatten ihre Beiträge geleistet, um die horrenden Kosten für dieses einzigartige Ereignis aufzubringen. Doch am Ende machte sich der Aufwand bezahlt. Bereits die Olympischen Spiele auf dem Mond hatten erfolgreich den Raumtourismus angekurbelt, und diese Solarsegelregatta versprach, das spektakulärste sportliche Ereignis in der gesamten Geschichte der Menschheit zu werden. Große Konzerne schickten Prospektorschiffe ins All, viele von ihnen mit Solarsegel-Antrieb, um im Sonnensystem und im Asteroidengürtel nach ergiebigen Rohstoffvorkommen zu forschen.
    Und die sechzehnjährige Natasha Subramanian befand sich inmitten des Geschehens!
     
    Die Diana

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