Das letzte Treffen
abgelegt.«
»Dann brauche ich von
dir eine Vollmacht, damit ich zu dir fahren und das Notwendigste für
dich holen darf. Ich kann bei der Gelegenheit auch mit Baldvin darüber
sprechen, dass er sich erst einmal eine andere Wohnung sucht.«
»Darauf wird er sicher
nicht eingehen.«
»Darum kümmere ich
mich. Du möchtest die Trennung von Tisch und Bett, nicht wahr?«
»Ich kann mit ihm nach
dieser Sache nicht mehr zusammen wohnen«, antwortet Sigurjöna.
»Das ist völlig undenkbar.«
»Bis eine formelle
Scheidung durch ist, dauert es natürlich seine Zeit, aber ich werde
das Verfahren für dich in Gang setzen.«
Als wir die Formalien
erledigt haben, reiche ich ihr meine Visitenkarte:
»Du kannst mich
jederzeit anrufen.«
Ich knöpfe mir meinen
warmen hellen Pelzmantel bis unters Kinn zu, bevor ich mich in den beißenden
Frost hinauswage, der die Hauptstadtbewohner seit Wochen plagt.
Auf dem Weg nach draußen,
zu meinem schicken silbernen Zweisitzer, bin ich wieder einmal froh über
den glücklichen Zufall, gegen jegliche Eheneigungen völlig immun
zu sein.
»Meistens heiratet der
Selbstbetrug die Wunschvorstellung.«
Sagt Mama.
2. KAPITEL
Ich brauche für alles
viel länger.
Sogar die einfachsten Sachen
kosten mich mehr Zeit und Aufwand als früher. Auch die mir so geläufige
Tätigkeit, mich in meinem Silberpfeil hinters Steuer zu setzen.
Mein Bauch hat mich in den
letzten Monaten wahnsinnig genervt.
Besonders wenn ich mal
schnell etwas erledigen möchte. Wie ich es normalerweise getan habe.
Bevor sich mein Körper so aufgeblasen und sich einen steifen
Zeitlupengang angewöhnt hat.
Aber mein Genervt-Sein geht
immer vorbei.
Letztendlich.
In meinem roten Reihenhaus
ist alles für die Ankunft des neuen Erdenbürgers vorbereitet.
Ich habe schon das Gästezimmer im ersten Stock in ein Kinderzimmer
verwandelt. Ein Babybett gekauft. Und einen riesigen Berg Wegwerfwindeln,
um das Kleine zu wickeln. Wenn er oder sie auf die Welt kommt.
Ich weiß noch nicht, ob
es ein Junge oder ein Mädchen wird.
Will es nicht wissen. Nicht
vorher.
Gegen sechs fahre ich in
meinem schnuckeligen Benz auf dem Parkplatz vor dem Reihenhaus vor. Ich
parke ihn neben dem weißen Toyota.
Lisa Björk hält
immer noch die Stellung. Sie ist nicht nur schlau und fleißig,
sondern auch außerordentlich ehrgeizig. Sie hat letztes Jahr ihr
juristisches Examen an der Universität Islands abgelegt. Und hat
bereits ihre Zulassung, darf Fälle vor dem Bezirksgericht vertreten.
Ich habe sie eingestellt,
damit sie sich um die alltägliche Leitung des Büros kümmert.
Um all den gewöhnlichen Papierkram, für den ich keine
angemessene Zeit mehr habe. Und damit sie mir bei Verfahren in der ersten
Instanz hilft.
Sie ist klein. Reicht mir
kaum bis zur Schulter. Mit dunklen Haaren, die ihre Wangen mit Wellen
einrahmen. Tiefe, große Augen. Dicke Lippen. Eine kleine süße
Nase.
Eigentlich sieht sie richtig
zum Knuddeln aus.
Aber guckt immer
konzentriert. Entschlossen, alles richtig zu machen. Innerhalb kürzester
Zeit so weit wie möglich zu kommen.
Meine Anwaltskanzlei hat sich
im Erdgeschoss meines Reihenhauses ausgebreitet. Wie eine Kletterpflanze,
die wächst und wächst. Sie nimmt schon sämtliche
Quadratmeter der Etage ein. Auch die eingebaute Garage, die ich in ein
Beratungszimmer und ein Archiv habe umbauen lassen.
Ich setze mich in meinen
schwarzen Chefsessel. Lehne mich weit zurück, um einen Versuch zu
unternehmen, die schlimmsten Schmerzen aus dem Rücken zu vertreiben.
Und meinen müden Sprunggelenken.
Warum muss eine
Schwangerschaft so eine verdammte Plackerei sein?
Lisa Björk klopft an.
Kommt herein. Schließt die Tür hinter sich.
»Da steht ein älterer
Mann vorne«, sagt sie. »Er will unbedingt mit dir persönlich
sprechen.«
»Was weißt du
über ihn?«
»Er sagt, er ist der
Gemeindepfarrer in Seltjarnarnes.«
»Pfarrer David?«
»So hat er sich
vorgestellt. Kennst du ihn?«
»Nicht direkt. Was will
er?«
»Soweit ich verstanden
habe, versucht die Mehrheit des Pfarrgemeinderates, ihn aus seinem Amt zu
vergraulen.«
»Warum?«
»Er behauptet, dass
gegen ihn eine niederträchtige Verschwörung läuft.«
»Aha!«
Ich stehe auf. Folge Lisa Björk
nach vorne ins Beratungszimmer.
Der Gemeindepfarrer wartet im
hellbraunen Sofa. Seine Ungeduld scheint aus
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