Das letzte Treffen
wagst es, mich
anzufassen?«
Er lässt mich
augenblicklich los.
»Ich habe dir nichts
getan«, sagt er, »Páll kann das bezeugen.«
»Überhaupt nichts«,
wiederholt Páll schnell, »ich habe gesehen, dass er dich
überhaupt nicht berührt hat.«
Ich gucke die beiden
abwechselnd an.
»Was seid ihr bloß
für erbärmliche Hosenscheißer. Geht ihr auch zusammen aufs
Klo?«
Baldvin knallt die Tür
hinter mir zu.
Oder war es Páll?
Bevor ich mich hinlege, nehme
ich eine heiße Dusche. Spachtele den duftenden Seifenschaum über
meine empfindlichen Brüste, die in den letzten Wochen praller
geworden sind. Und meinen Kugelbauch, der schon seit langem mein Leben
lenkt, ohne dass ich daran etwas ändern kann.
Ich kann schlecht
einschlafen. Wie schon so oft, seit ich
aufgehört habe, abends
mein liebliches Feuerwasser zu genießen.
Ich habe aus Angst, dass
Jackie Daniel's schlechte Auswirkungen auf den Fötus hat, aufgehört,
starken Alkohol zu trinken. Nachdem ich mir von den Hebammen bei den
Vorsorgeuntersuchungen Horrorstorys über Hirnschäden und körperliche
Behinderungen anhören musste, die angeblich durch Alkoholgenuss der Mütter
entstehen. Wahrscheinlich leeres Gequatsche. Oder verdrehte Übertreibungen.
Trotzdem ist Vorsicht die
Mutter der Porzellankiste. Hinterher lässt sich nichts mehr ändern.
Ich wälze mich nackt
unter der Bettdecke. Schließe die Augen. Versuche, meinen Geist von
den unangenehmen Störungen des Tages zu leeren. Die hässlichen
Seiten des Lebens wegzuschieben.
Schließlich muss ich
wieder einmal an Ludmillas letzten Tag bei mir denken. Dabei tasten sich
meine Finger beinahe unwillkürlich die Hüfte hinunter. Zwischen
die Oberschenkel. Auf der Suche nach den süßen Stunden der
Vergangenheit.
»Erinnerungen sind das
Kaminfeuer des Alleinstehenden.«
Sagt Mama.
4. KAPITEL
Donnerstag
Die Schwarzjacke sieht ja
verdammt gut aus.
Aber weiß es selbst
viel zu genau.
Sexy Knabe in enger
blauschwarzer Uniform. Schulterbreit und bepackt mit Muskeln à la
Hantelguru. Sonnenbank-gebräuntes Gesicht. Mit dunklem, dickem Haar
und großen, schneeweißen Zähnen, die er mir ungefragt
jederzeit zeigt.
Haraldur ist auch ein
verdammter Macho.
Jedenfalls ist er der
Meinung, dass es keinen Grund gibt, warum die Reykjaviker Polizei eine
einstweilige Verfügung gegen Baldvin erwirken sollte, mit der ihm
verboten wird, sich in einem bestimmten Umkreis seiner Frau aufzuhalten.
Trotz der gewaltsamen Übergriffe. Und der sich wiederholenden
Randale-Attacken vor dem Gebäude des Frauenhauses am Hlemmur.
Baldvin hat bereits zwei
missglückte Versuche hinter sich, zu Sigurjóna und den Kindern
hineinzukommen. Erst gestern Abend noch, als er fortwährend die
Eingangstür bearbeitete, bis Fanney die Schwarzjacken von gegenüber
rief, um ihn entfernen zu lassen.
Haraldur hat das Protokoll
des Vorfalls auf dem Bildschirm seines Laptops. Sowohl Fanney als auch
Baldvin berichten den Tathergang. Jeder aus seiner Perspektive.
Ich habe ihm bereits eine
Kopie von Sigurjónas Aussage zukommen lassen, in
der sie die tätlichen Übergriffe des Wochenendes beschreibt. Und
die Fotos von den Verletzungen, die ihr der Ehemann zugefügt hat.
Trotzdem lässt sich
Haraldur kaum beeinflussen.
»Können sie die
Sache nicht unter sich ausmachen, ohne dass wir uns einmischen müssen?«,
fragt er und legt die Fotos auf den Tisch. »Baldvin ist doch nicht
dumm.«
»Kennst du ihn?«
»Nein, nicht direkt,
aber er kommt aus einer guten Familie. War das nicht einfach nur ein
Ausrutscher im Rausch?«
Ich betrachte die
Schwarzjacke verwundert.
»Du weißt doch
sicher, dass Baldvin der Sohn von Sigurlinni in der Landeszentralbank ist«,
fährt er fort. »Der Bankdirektor wird das doch wohl zwischen
den beiden ausbügeln können. Er hat in seinem Leben schon öfter
solche Sachen gedeichselt.«
Natürlich bin ich über
Baldvins Abstammung im Bilde. Sein Vater war jahrelang ein einflussreicher
Abgeordneter und Minister, der vor drei Jahren beschloss, sich auf Kosten
der Steuerzahler einen lauen Lenz zu machen und sich auf einem der höchstdotierten
Posten des Landes gemütlich einrichtete. Wurde Bankdirektor der
Landeszentralbank. Die die Parteien des Landes schon seit langem als
Altenheim für ausrangierte und ausgebrannte Minister missbrauchen.
»Meinst du etwa, man
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