Das letzte Treffen
Sigurjóna
und die Kinder versteckt?«, fragt er frech.
Ich tue so, als höre ich
ihn nicht.
»Sigurjóna
versucht gerade, sich von dieser aggressiven Körperverletzung zu
erholen«, erkläre ich und betrachte Baldvin mit kaltem Blick.
»Sie wird zurückkehren, sobald du dir eine andere Bleibe
gesucht hast.«
»Eine andere Bleibe?«,
wiederholt er und starrt mich an. »Wie meinst du das?«
»Baldvin lässt
sich doch nicht von Weibern aus seiner eigenen Wohnung vertreiben«,
mischt sich Páll ein. »Darauf kannst du Gift nehmen!«
Oh, Mann.
Ich tue so, als würde
ich sein Gekläffe nicht hören. Wende mich dem brutalen Ehemann
zu.
»Reicht es dir nicht,
dass du deine Frau zusammengeschlagen hast?«, frage ich verärgert.
»Willst du ihr und den Kindern auch noch verwehren, nach Hause zu
kommen?«
»Ich war betrunken und
habe für einen Moment die Kontrolle verloren, sonst nichts«,
antwortet Baldvin. »Ich weiß, dass Sigurjóna das
versteht und mir vergibt.«
»Es ist doch völlig
unnötig, aus einer Mücke einen Elefanten zu machen«, fügt
Páll hinzu.
»Mücke? Wie?«
Ich öffne meine
rotbraune Aktentasche.
»Auf diesen Fotos sieht
man nur einen Teil der Verletzungen, die du ihr zugefügt hast«,
sage ich und breite vier Fotos auf dem Sofatisch vor Baldvin aus.
Er erschrickt, als er die
Folgen seiner eigenen Taten vor Augen hat.
»Oh Gott«,
murmelt er und schaut betreten zur Seite.
Páll zieht die Fotos
mit dem entstellten Gesicht zu sich. Sieht sich eins nach dem anderen an,
ohne eine Miene zu verziehen.
»Man kann diesen
Vorfall nicht alleine Baldvin in die Schuhe schieben«, sagt er
schließlich griesgrämig. »Sigurjóna hat ihn immer
herausfordert, ihn aufgehetzt, um sich schlagen zu lassen.«
»Warst du Zeuge dieser
Übergriffe?«, frage ich.
»Nein.«
»Dann solltest du die
Klappe halten.«
Páll wirft sich rücklings
in den Sessel. Völlig perplex. Als ob noch nie jemand die Courage
gehabt hätte, ihm den Mund zu verbieten.
Dann war es ja höchste
Zeit.
Ich sammle die Fotos wieder
ein. Verstaue sie in der rotbraunen Aktenmappe.
»Sigurjóna hat
mich beauftragt, erstens Kleidung für sich und die Kinder zu holen
und zweitens ihre Handtasche mit allen Papieren«, sage ich und stehe
auf. »Wo finde ich diese Sachen?«
Baldvin scheint immer noch
nicht in der Realität angekommen zu sein.
»Wann kommt Sigurjóna
nach Hause?«, fragt er.
»Wenn du ausgezogen
bist«, antworte ich. »Wo ist ihre Tasche?«
Páll steht auf.
Er ist einen Kopf kleiner als
ich. Und ist genötigt, seinen Kopf in den Nacken zu legen. Um zu mir
hochzuschauen.
Das macht ihn total fertig.
»Ich finde, es ist doch
das Mindeste, dass Baldvin die Gelegenheit kriegt, mit Sigurjóna zu
reden und dieses Missverständnis zu klären«, sagt er.
»Ist sie bei dir zu Hause?«
»Natürlich nicht.
Sie befindet sich an einem sicheren Ort.«
»Wo?«, fragt er
drohend.
»Das geht dich nichts
an. Wo ist ihre Tasche?«
»Sigurjóna weiß
es selbst am besten«, antwortet Baldvin und steht auf. »Wenn
sie etwas braucht, kann sie selbst herkommen, um es zu holen.«
»Willst du Sigurjóna
wirklich ihre selbstverständliche Bitte abschlagen?«
»Du fasst hier im Haus
nichts an«, sagt Páll und verschränkt seine Arme.
»Redet er für
dich?«
»Páll weiß
immer, was ich gerade denke«, antwortet Baldvin.
»Ihr seid wohl
siamesische Zwillinge im Geiste, was?«
»Nenn es, wie du
willst.«
»Wann ziehst du aus?«
»Ich denke nicht dran,
hier wegzugehen.«
Ich betrachte ihn mit verächtlicher
Miene.
»Du trägst die
Schuld an einer groben Misshandlung«, sage ich nach einer Weile
Schweigen. »Willst du deine Lage noch verschlimmern, indem du deine Frau
und deine Kinder vor die Tür setzt?«
»Nein, ganz und gar
nicht«, antwortet er. »Sie können jederzeit nach Hause
kommen.«
»Je früher, desto
besser«, fügt Páll hinzu.
»Sie trauen sich erst
nach Hause, wenn der Gewalttäter die Wohnung verlassen hat.«
»Baldvin bleibt
selbstverständlich in seiner Wohnung.«
Ich nehme die Aktentasche vom
Couchtisch. Schaue Baldvin erneut in die Augen.
»Dann geht es bald
ordentlich zur Sache«, sage ich kalt.
Er folgt mir zur Eingangstür.
»Ich möchte mit
Sigurjöna reden«, sagt er und packt mich kräftig am Arm.
»Wo ist sie?«
Ich gucke schnell über
die Schulter.
»Du
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