Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das letzte Treffen

Das letzte Treffen

Titel: Das letzte Treffen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stella Blomkvist
Vom Netzwerk:
hier in
     Keflavik ein paar Monate vor Karl Iliugason verschwunden, und manche sahen
     Mafia-Cliquen in jeder Ecke. Das war seit langem die beste Saison für
     Klatschgeschichten, an die ich mich erinnere. Die abwegigsten Geschichten
     gingen wie ein Lauffeuer durch den Ort, und das führte
     dazu, dass wir die unterschiedlichsten Behauptungen zum Verschwinden des
     Jungen überprüfen mussten, die sich alle bei näherer
     Betrachtung als purer Blödsinn entpuppten.«
    »Zum Beispiel?«
    Njördur blickt mich
     eingehend über seine runde Brille an.
    »Wie gut weißt du
     Bescheid?«
    »Matthildur hat mir
     Zeitungsartikel gegeben. Auch die Interviews von Mannlif. Aber es fehlen
     noch die Originalakten.«
    »Dann muss ich dir
     wahrscheinlich mehr über die Hintergründe erzählen.«
    »Ja, unbedingt.«
    »Matthildur wohnte bei
     ihrem Vater zu Hause, dem alten Haflidi. Sie hatte zwei Kinder, Karl und
     Maria.«
    »Maria?«
    »… Maria und
     Karl waren Zwillinge.«
    »Matthildur hat sie nie
     erwähnt.«
    »Illugi, der Vater der
     beiden, hat die Familie ein paar Jahre vor Karls Verschwinden verlassen.
     Wenn ich mich recht erinnere, heuerte er für eine Saison auf ein Boot
     der Westmännerinseln an und ist dort mit einer anderen Frau
     zusammengezogen. Matthildur hat auf der Base und in Rockville geputzt, um
     sich und die Kinder durchzubringen.«
    »Da hat sie Donald
     Garber getroffen?«
    »Ich weiß nicht,
     wo und unter welchen Umständen sie sich getroffen haben, aber sie
     waren zu der Zeit ein Paar, das ist richtig. Karl Illugason war oft mit
     Jakob Geirsson zusammen, einem Gleichaltrigen, der im Nachbarhaus wohnte.
     Sie spielten beide gemeinsam an dem Tag, als Karl verschwand. Sofort kamen
     unschöne Gerüchte auf, dass die Jungs aneinandergeraten wären,
     sich am Strand geprügelt hätten und Karl bewusstlos geworden und
     ins Meer gefallen wäre. Wir wussten es besser und sagten es laut und
     deutlich, aber das vermochte die Gerüchte über Jakobs
     vermeintliche Missetaten kaum niederzuschlagen.«
    »Ihr wusstet es besser?
     Inwiefern?«
    »Karl wurde am Strand
     gesehen, nachdem Jakob schon bei sich zu Hause angekommen war.«
    »Wer hat ihn gesehen?«
    Njördur seufzt.
    »Es war ein junger,
     sehr dem Alkohol zugeneigter Mann, der Hermann Jónatansson hieß.
     Ihm wurde nachgesagt, ein Homosexueller zu sein, was zu der Zeit eine ganz
     schlimme Sache war. Die Kinder veräppelten ihn oft auf der Straße,
     liefen ihm hinterher und riefen ›Hemmi Homo‹ und anderes
     dieser Art. Aber egal. Hermann wachte an diesem Sonntag nach einer langen
     durchsoffenen Nacht gegen Mittag auf und ging draußen spazieren. Er
     traf Jakob, der da auf dem Heimweg war, und sah, dass Karl immer noch in
     den Felsen herumkletterte. Diese Tatsache wurde später zu einem neuen
     und noch übleren Gerücht.«
    »Welchem?«
    »Hermann hätte den
     Jungen vergewaltigt und ihn anschließend ertränkt.«
    »Konntest du ihn von
     diesem Verdacht befreien?«
    »Es gab nichts, was
     darauf hindeutete, dass Hermann dem Jungen zu nahe gekommen wäre, er
     sah ihn einfach nur aus der Ferne, aber uns ist es dennoch nicht gelungen,
     dieses Gerücht aus der Welt zu schaffen. Hemmi wurde nicht in Ruhe
     gelassen und musste am Ende aus dem Ort fliehen.«
    »Gab es im Zusammenhang
     mit dem Verschwinden wirklich keine Gerüchte über Donald?«
    »Ich kann mich nicht
     daran erinnern.«
    »Hast du mit ihm
     gesprochen?«
    »Ich habe ihn an dem
     Tag, an dem die offizielle Suche begann, bei Matthildur getroffen.«
    »Und?«
    »Wenn ich mich richtig
     erinnere, habe ich seine kurze Aussage protokolliert.«
    »Glaubst du, er hat mit
     der Sache irgendetwas zu tun gehabt? Jetzt, wo du weißt, dass er ein
     Kinderschänder war?«
    Njördur antwortet
     umgehend.
    »Ich bin immer noch
     genauso überzeugt wie 1974, dass Karl Illugason ins Meer gefallen und
     ertrunken ist«, sagt er entschieden. »Das war ein Unfall und
     nichts anderes. Ich finde am schlimmsten, dass Aegir seine Beute immer
     noch nicht wieder ans Land gegeben hat, aber da können wir Menschen
     nichts machen.«
    »Matthildur ist da
     anderer Ansicht.«
    »Ich weiß«,
     antwortet Njördur. »Es war damals meine Aufgabe, ihr
     mitzuteilen, dass wir die Suche nach der Leiche eingestellt haben. Sie
     nahm es, gelinde gesagt, schlecht auf. Es war ein trauriger Augenblick,
     den ich nie vergessen werde.«
    Ich bleibe beim Kaffee. Lasse
     Kekse und Kleinur liegen.
    »Bist du ganz

Weitere Kostenlose Bücher