Das letzte Treffen
Keflavik betrieben?
Ich betrachte eingehend zwei
Fotos, die dem Bericht folgen: Das ältere wurde 1972 aufgenommen. Es
zeigt einen großen, blonden, schlaksigen Kerl in Uniform. Die Haare
sind kurz geschnitten. Blaue Augen. Lächelnde Lippen.
Verdammt gutaussehender
Knabe.
Wundert mich nicht, dass
Matthildur in ihn verliebt war.
Das andere Foto wurde
wesentlich später gemacht, 1997, auf einer Straße in New York.
Donald sieht auch auf diesem
Bild verdammt gut aus. Obwohl er fünfundzwanzig Jahre älter ist.
Er hat praktisch gar nicht zugenommen. Und ist protzig gekleidet.
Genau wie die schlimmsten
Ganoven.
Was sagt mir dieser neue
Bericht über das Opfer auf der Midnesheidi?
Vor allem, dass Donald Garber
ein attraktiver und reicher Kinderschänder war. Ein reiches,
perverses Schwein.
Ein Wolf im Schafspelz.
Pfarrer David ist in einer Besprechung mit Lisa Björk.
Sie gehen den Entwurf eines
Briefes an den Bischof von Island durch. In dem das Angebot, einen anderen
Arbeitsplatz innerhalb der Staatskirche anzunehmen, abgelehnt wird.
Der Kirchenmann ist gut
gelaunt. Und siegesgewiss.
Das Helgarbladid hat
angebissen. Hat am Samstag aus der Perspektive der Liebe über den
Kirchenkonflikt in Seltjarnarnes berichtet. Hat Fotos von Hlédís
Ágrímsdóttir und Pfarrer Robert veröffentlicht.
Unter der Titelzeile:
NUR CHRISTLICHE NÄCHSTENLIEBE?
Im Artikel wurde behauptet,
dass sich Gerüchte über eine geheime Beziehung zwischen dem
jungen Pfarrer und der Vorsitzenden des Pfarrgemeinderates wie ein
Lauffeuer in der Gemeinde verbreitet hätten. Keiner von beiden wollte
sich zu der Sache äußern, als sie von der Zeitung um einen
Kommentar gebeten wurden. Was den Gerüchten natürlich Flügel
verleiht.
»Mir wurde heute Morgen
mitgeteilt, dass es im bischöflichen Ordinariat brodelt«, sagt
Pfarrer David. »Sie wissen nicht mehr, wie sie sich verhalten
sollen.«
»Wie geht die
Abstimmung im Internet voran?«
»Ganz hervorragend.«
»Die Mehrheit der
Gemeindemitglieder hat bereits ihre Unterstützung für Pfarrer
David bekundet«, fügt Lisa Björk hinzu. »Im Brief an
den Bischof verlangen wir, das Ordinariat müsse dafür Sorge
tragen, dass gemäß dem bezeugten Willen der Gemeindemitglieder
gehandelt wird. Es ist Unfähigkeit, wenn man in dieser Situation stur
der Mehrheit des Pfarrgemeinderates nachgibt.«
»Ist der Brief fertig?«
»Ja, und ich bin
vollkommen zufrieden mit der Antwort«, sagt der Gemeindepfarrer.
»Komm noch kurz zu mir
rein, bevor du fährst.«
Als Pfarrer David es sich in
meinem Büro gemütlich gemacht hat, berichte ich ihm von
Matthildur Haflidadóttirs Anliegen.
Er wusste es bereits.
»Maria hat mir neulich
von Matthildurs neuem Versuch erzählt«, sagt er und rutscht im
Ledersessel hin und her.
»Hast du immer noch
Kontakt zu Maria?«
»Ich war
Vertretungspfarrer in der Keflaviker Gemeinde, als ihr Bruder ins Meer
fiel«, antwortet Pfarrer David. »Maria und ihre Mutter
brauchten sehr viel seelische und geistliche Unterstützung.
Allerdings muss man sagen, dass Matthildur sich nie wieder vollkommen
erholt hat, leider, und Maria hat ihre Mutter mehr oder weniger jahrelang
pflegen müssen. Ich habe es manchmal so formuliert: Als Matthildur
ihren Sohn verloren hat, hat Maria ihre Mutter verloren.«
»Hast du die Familie
kennengelernt, bevor Kalli verschwand?«
»Nur ein wenig.
Matthildur ist nicht regelmäßig zur Kirche gegangen, aber die
Geschwister waren oft im Kindergottesdienst.«
»Kanntest du Donald
Garber?«
»Diesen Amerikaner, der
ermordet wurde?«
»Ja.«
»Ich habe den Mann
niemals getroffen.«
»Auch nicht, nachdem
Karl Iliugason verschwand?«
»Nein.«
Pfarrer David steht auf.
Beginnt, auf und ab zu gehen.
»Maria hat mir erzählt,
dass du den Amerikaner verdächtigst, Kalli missbraucht zu haben«,
sagt er. »Bist du da ganz sicher?«
»Nein, aber ich
untersuche die Möglichkeit«, antworte ich.
»Donald wurde verdächtigt,
einen Jungen missbraucht zu haben, kurz bevor er nach Island kam.«
Pfarrer David bleibt
ruckartig stehen.
»Was du nicht sagst!«
Er ist Feuer und Flamme. »Hast du dafür Beweise?«
»Ja.«
»Dem Herrn sei Lob und
Dank, er führt uns immer zur Wahrheit!«
Ich betrachte den
Gemeindepfarrer verwundert.
»Mein ist die Rache,
ich werde vergelten, sagt der Herr«, fährt er fort. »Gesegnet
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