Das letzte Treffen
dass die Geschichte von Hlédís'
Seitensprung richtig war.
»Was weißt du
über die zweite Vorsitzende, die ihren Platz im Gemeinderat einnimmt?«
»Pfarrer David meint,
dass sie sich aus dem Konflikt herausgehalten hat. Wir haben bereits ein
Treffen für heute Nachmittag mit ihr vereinbart, um den Fall zu
besprechen.«
»Gut.«
Ich versuche, mich auf die
wichtigsten Aufgaben des Tages zu konzentrieren. Muss einige Sachen
erledigen, die schon viel zu lange hinausgeschoben wurden.
Höre mir jedoch die
Nachmittagsnachrichten im Radio an und erfahre, dass die Goldjungs
ungehalten auf Mákis vorsichtig formulierten Artikel im
Nachrichtenblog reagiert haben, wo er erwähnt, es gebe möglicherweise
eine Verbindung zwischen dem Mord an Donald Garber und Karl Iliugason im
Jahr 1974. Und auch, dass der Bezirksverwalter in Reykjanesbaer bestätigt
hat, dem Amt liege ein Antrag zur Wiederaufnahme der Ermittlungen im Fall
Karl Iliugason vor, der gerade begutachtet wird.
Der Himmel über der
Midnesheidi ist gegen sechs Uhr abends dunkel und bewölkt, als ich
Kjartan Karlsson am Tor zur Radarstation in Rockville treffe. Die einmal
war. Wahrscheinlich dauert es nicht mehr lange, bis der nächste
Schauer uns an diesem Regentag eine Dusche beschert.
Ich kann undeutlich die
hellen Buchstaben im nassen Asphalt erkennen: STOP!
»Ein zwei Meter hoher
Drahtzaun war um das ganze Gelände gezogen worden«, sagt
Kjartan. »Die Militärpolizei lief immer Streife, Tag und Nacht,
und hat alle registriert, die auf die Base fuhren oder wieder
hinauswollten. Ihre Wachhütte stand hier rechts von der Straße,
genau innerhalb des Zaunes.«
Die Ruinen der Radarstation
fallen in der eintönigen Felslandschaft kaum auf.
Die sichtbaren
Hinterlassenschaften bestehen vor allem aus asphaltierten Straßen
kreuz und quer durch das Gebiet und zig betonierten Kellern mit dazugehörigen
Parkplätzen für zweihundert Leute. Manche davon sind äußerst
mitgenommen von den schweren Arbeitsfahrzeugen, die die Militärgebäude
abgerissen und den Müll auf Lastwagen geschaufelt haben. Zwischendrin
stehen ein paar gebeutelte Bäume, die an Pfosten festgebunden wurden.
Asphalt und Beton. Steine,
Erde und Felsen.
Kein Wunder, dass die Amis
diesen unfreundlichen Außenposten des amerikanischen Weltimperiums
Rockville genannt haben. Stadt der Steine.
»Hier links war die
Zentrale«, sagt Kjartan.
Er geht mit langen Schritten
vor mir her. Wie ein ungeduldiger Fremdenführer. Bleibt schließlich
vor einem großen, länglichen Fundament stehen.
»Sie hatten zwei
riesige Radarkugeln hier auf dem Haus, die wie überdimensionierte
Tennisbälle aussahen«, sagt er und dreht sich um. »In
diesem Haus war die Zentrale mit Computern und Fernmeldegeräten und
anderer Ausrüstung, um Radarsignale empfangen und bearbeiten zu können
und um die Informationen schließlich weiterzuschicken. Hier befand
sich ein paar Jahrzehnte lang das Gehirn und das Herz der Radarstation der
US Army.«
Kjartan guckt sich um und lächelt.
»Von dieser Zentrale
aus hat die Army beobachtet, wenn sich Militärflugzeuge des
russischen Bären entweder Island, Grönland oder Kanada genähert
haben«, erklärt er begeistert. »Sobald die Russen auf dem
Radarschirm auftauchten, hat man die Kriegsbomber vom Keflaviker Flughafen
in die Luft geschickt, um die Russen nördlich und westlich von Island
zum Tanz aufzufordern. Es war eine Art Pseudokrieg, der aber ernsthaft geführt
wurde. Wer erinnert sich heute noch daran?«
Mich interessieren die alten
Kriegsspielchen der Russen und Amis nicht. Danke nur dafür, dass es
ihnen nicht gelungen ist, uns alle in die Luft zu sprengen.
»Wo liegt dieser
Bunker?«, frage ich.
Der Sportlehrer sprintet nach
Norden. Leichten Fußes. Bleibt knapp neben dem Ende des Fundaments
stehen.
»Die Treppe führte
hier hinunter«, sagt er sicher. Und zeigt mit beiden Händen auf
seine Füße.
Kjartan steht auf einer
viereckigen Stelle, wo der Beton ein wenig heller ist als anderswo am
Fundament. Der Fleck ist geschätzte drei mal drei Meter groß.
»Bist du sicher?«
»Ja, ich erinnere mich
ganz deutlich«, antwortet er. »Mir scheint, dass die Army den
Eingang mit Beton ausgegossen hat, als sie sämtliches Hab und Gut aus
der Station entfernt hat.«
»War das der einzige
Weg nach unten?«
»Das war der Weg, den
ich nahm, um hinein-
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