Das letzte Treffen
Njardarson.
Berichte dem Rentner, wo ich
gerade bin. Und was ich gefunden habe:
Das Foto. Die rote Perücke.
Die rosafarbenen Hüte.
»Es würde mich
nicht überraschen, wenn die Haare, die man an Donald Garbers Leiche
gefunden hat, aus dieser roten Perücke stammen«, füge ich
hinzu.
»Dann muss der Mieter
Donald getroffen haben.«
»Wer sagt, dass es ein
Mieter ist?«
»Ja«, antwortet
Njördur gedehnt. »Da sagst du was.«
Ich höre Schritte auf
der Treppe. Drehe mich schnell um. Genau in dem Augenblick, als jemand die
Tür zur Diele öffnet.
»Bleib dran«,
sage ich leise zur alten Schwarzjacke. Und schiebe das Handy in die
Manteltasche. Ohne aufzulegen.
Eine große blonde Frau
mit einem riesigen Hut auf dem Kopf steht in der Tür. Sie trägt
einen langen roten Mantel. Zugeknöpft. Und schwarze Lederstiefel.
Sie fixiert mich durch eine
dunkle Sonnenbrille.
Trotz des hellen Haares habe
ich keine Zweifel. Ebenso wenig wie der Journalist Stanley, der mehr tot
als lebendig durch den afrikanischen Urwald gestolpert ist, um nach Doktor
Livingstone zu suchen. Der allerdings gar nicht wusste, dass er vermisst
wurde.
Sage ganz entspannt:
»Fräulein Karitas,
nehme ich an.«
44. KAPITEL
Sie rührt sich nicht und
schweigt. Steht einen Schritt in der Wohnung. Hat ihre Augen sorgfältig
hinter der großen schwarzen Sonnenbrille versteckt.
Ich betrachte das fachmännisch
zurechtgemachte Gesicht. Die rosa geschminkten, verführerischen
Lippen. Die Andeutung einer Stupsnase. Die hohen, sonnengebräunten
Wangenknochen. Das blonde Haar, das Wangen und Hals umspielt.
Und ich weiß, dass ich
ganz bestimmt recht habe. Klare Sache.
»Oder willst du dich
etwa in der Aufmachung Jakob Geirsson nennen lassen?«
Er knallt die Tür hinter
sich zu. Kommt mit langen Schritten ins Wohnzimmer. Bleibt am braunen
Schreibtisch stehen. Bei den roten Rosen.
»Wie bist du hier
reingekommen?«, fragt Jakob aufgebracht.
»Deine Tante hat mir
die Schlüssel gegeben.«
»Her damit!«
»Ich finde, ich sollte
sie ihr selber zurückbringen, wenn ich nachher in der Stadt bin.«
»Gib mir die Schlüssel«,
wiederholt er frech. »Mir kann's ja egal sein.«
Ich werfe den Schlüsselbund
mit den sieben Schlüsseln lässig auf den Schreibtisch.
»Zieh den Mantel aus.«
»Du auch.«
»Zieh den Mantel sofort
aus!«
Ich finde es am sinnvollsten,
seinen Befehlen zu gehorchen.
Jedenfalls momentan.
Lasse den hellen Pelzmantel
von meinen Schultern gleiten. Lege ihn auf den Schreibtisch. Über den
Schlüsselbund und den Scanner.
»Bist du schwanger?«,
fragt er mit Verwunderung in der Stimme.
»Sieht wohl so aus.«
»Setz dich.«
Ich nehme in einem der Sessel
Platz.
»Du benimmst dich, als
ob du alles wüsstest, alles könntest und alles machen dürftest,
was dir gerade einfällt«, sagt er.
»Nein, ich weiß
nicht alles. Noch nicht. Nur genug, um mir darüber klarzuwerden, wer
du bist und was du getan hast.«
»Ich habe nichts getan.«
»Tu nicht so«,
sage ich schmunzelnd. »Sei doch stolz auf deine Erfolge. Du hast das
gesamte beschissene System auf den Arm genommen.«
Die rosafarbenen Lippen
zeigen ein ganz leichtes Lächeln.
»Dich auch?«
»Nicht lange.«
»Du bist ja wahnsinnig
begeistert von dir.«
»Du solltest eigentlich
einen Oscar für Maske und Regie bekommen«, antworte ich
umgehend. »Toll gemacht.«
»Findest du?«
»Ich bin schon gespannt
zu hören, wie und warum du dieses perfekte Verbrechen geplant hast.«
Er lächelt wieder.
»Wir sind alleine hier«,
fahre ich fort. »Nichts von dem, was du mir sagst, verlässt den
Raum.«
Jakob durchquert das
Wohnzimmer. Geht zu den drei Kommoden. Nimmt den mächtigen Dolch mit
beiden Händen. Hebt ihn hoch in die Luft.
»Dieses Schwert hat fünfzig
Stieren das Herz durchbohrt«, sagt er.
Mich beschleicht eine leise
Angst.
»Mit solch einem
Schwert den Todesstoß zu bekommen, ist der letzte Orgasmus im Leben.«
Jakob kommt zurück.
Bleibt direkt vor mir stehen. Zieht das Schwert langsam aus der Scheide.
Richtet die Spitze drohend auf meinen Kopf.
Die Lichter an der Decke
spiegeln sich auf dem messerscharfen Blatt. Wie in einem Spiegel.
»Der berühmteste
Stierkämpfer von Mexiko hat mir dieses Schwert geschenkt. Er hat mich
geliebt.«
»Und du ihn?«,
frage ich.
»Nein. Ich habe nur
einmal in meinem Leben geliebt.«
»Erzähl
Weitere Kostenlose Bücher