Das letzte Treffen
ab.
»Kannst du dich nicht
aufs Trockene verlagern?«, fragt er.
Da erst bemerke ich das
Wasser.
Ich bin ganz nass. Als ob ich
mich in eine Pfütze gesetzt hätte.
Das bringt mich aus der
Fassung.
»Das Fruchtwasser!«,
rufe ich panisch. »Das Fruchtwasser ist abgegangen!«
»Beruhige dich«,
sagt Njördur. »Ich rufe sofort den Krankenwagen an.«
Ich lege mich auf den Rücken.
Halte mit beiden Händen meinen Bauch fest. Versuche mich zu
entspannen. Der Erfolg lässt zu wünschen übrig.
»In welchem Monat bist
du?«, ruft Njördur.
»Im achten!«
Er spricht weiter ins Handy.
Grettir kommt zögerlich
zu mir.
»Sie bringen dich
sofort in die Stadt«, sagt Njördur und schiebt das Handy wieder
in seine Hosentasche. »Alles wird vorbereitet sein, wenn du im
Landspitali eintriffst.«
»Grettir hat mein Leben
gerettet«, sage ich. »Er ist ein Held!«
Njördur streicht dem
Jungen freundschaftlich über den roten Schopf.
Die nächsten Minuten
vergehen wie im Nebel. Schwarzjacken überschwemmen das Haus. Einige führen
Jakob ab. Andere lagern mich auf eine Trage.
Als sie mich gerade aus der Tür
bringen wollen, fällt mir wieder ein Satz ein, den Donald Garber im
Beisein von Jakob Geirsson hat fallen lassen: »Rauchfänge können
viel aufnehmen.« Ich winke energisch mit beiden Händen. Und
rufe Njördur.
»Was gibt's?«,
fragt er. Und beugt sich zu mir hinunter. »Lass den Schornstein
aufbrechen.«
»Den Schornstein? Was
ist darin?«
»Der kleine Kalli.«
Fünfte Woche
_______________
46. KAPITEL
Am ersten Samstag im Mai
Der Alptraum kommt immer
wieder.
Rosafarbene, grinsende
Lippen. Das glänzende Schwert. Die blutige Schere.
Jakob schlitzt mir schon
wieder den Bauch auf. Als ich atemlos erwache. Ein völlig
nassgeschwitztes Nervenbündel.
»Widerlicher,
verrotteter Hammelhoden!«
Aber ich bin noch zu schwach
und kann meiner angestauten Wut nur mit machtlosen Flüchen Luft
machen. Obwohl ich gestern Morgen aus der Frauenklinik entlassen wurde.
Sieben Tage nach dem Kaiserschnitt.
Sóley Árdís
liegt weiterhin auf der Neugeborenenstation.
Meine Tochter.
Die Ärzte wollten nicht
länger warten. Sie behaupteten, dass die Fruchtblase wahrscheinlich
geplatzt sei. Dass die Plazenta aufgehört habe, normal zu arbeiten.
»Um die Sache auf den
Punkt zu bringen, sind die Überlebenschancen des Kindes wesentlich
besser, wenn wir es sofort mit Kaiserschnitt holen«, sagte einer von
ihnen.
Sie wollten mir keine Narkose
geben. Wegen der Kopfverletzungen, die mir in Keflavik zugefügt
wurden. Im Haus des Kinderschänders.
Stattdessen betäubten
sie mich lokal. Mit einer Periduralanästhesie. Und begannen zu
schneiden.
Die Operation war ein
weiterer Alptraum. Viele gleißende Lichter über dem
Operationstisch. Gesichter, hinter Mundschutzmasken verborgen. Messer.
Zangen. Leitungen. Blut.
Trotzdem hatte ich keine
Schmerzen.
Nicht körperlich
jedenfalls.
»Es ist ein Mädchen«,
sagte jemand. Durch die Maske.
Ein winziges Würmchen.
Ist ja auch nur sechsunddreißig Wochen alt.
Sóley Árdís
befindet sich immer noch in der geschützten Umgebung im
Kinderkrankenhaus. Computergesteuerte Maschinen geben ihr Sauerstoff. Und
halten sie warm. Bis Haut und Lunge sich voll entwickelt haben. Sie darf
erst in vier Wochen nach Hause kommen. Oder fünf.
Ist wahrscheinlich auch gut
so. So wie es um mich steht.
Ich stakse ins Bad, nehme
eine heiße Dusche. Um den sauren Schweiß der Nacht fortzuspülen.
Trockne mich vorsichtig vor
dem großen Spiegel ab. Versuche, dabei so wenig wie möglich an
die Narbe zu kommen, die quer über meinen Unterbauch verläuft.
Nachher muss ich noch meine
geschwollenen Brüste ausstreichen. Die Sóley Árdís
bisher nicht mit ihren kleinen unschuldigen Lippen berühren durfte.
Ich föhne die
Feuchtigkeit aus meinen blonden Haaren.
Meinem Schatz.
Ansonsten sehe ich furchtbar
aus. Es dauert bestimmt viele Wochen, bis ich wieder in Form bin.
Aber ich nehme mir vor, dass
es mir bis zum nächsten Ersten gelingt. Bevor Ludmilla wieder zu mir
kommt.
Sie wollte unbedingt sofort
von Riga nach Island fliegen. Als ich ihr von der Geburt berichtet habe.
Aber sie hat zugestimmt, noch zu warten, bis Sóley Árdís
nach Hause darf.
Dagegen erwarte ich Cora
jeden Augenblick. Sie möchte mich zum Friedhof in
Keflavik fahren. Wo kurz vor
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