Das letzte Treffen
ordentlicher Stapel weißes Papier.
An der Wand gegenüber
dem alten Tisch stehen drei Kommoden nebeneinander. Dunkelbraun. Mit
silberfarbenen Griffen. Auf den Kommoden liegt ein langes schweres Schwert
in einer goldenen Scheide.
Tolles Ausstellungsstück.
Oder Mordinstrument.
»Hallo?«, rufe
ich wieder. Aber Stille ist wie eben auch die einzige Antwort.
Angriff oder Rückzug?
Keine Frage!
Ich muss doch meine Neugier
befriedigen! Wenn ich jetzt schon mal hier bin.
Ich gehe langsam durch das
Wohnzimmer. Bleibe ruckartig auf halbem Weg stehen. Schaue mich um.
Grettir steht zögernd in
der Diele. Guckt mich fragend an. Als ob er Lust hätte, mir zu
folgen. Aber nicht ganz sicher wäre, ob er das auch darf.
Ich zucke mit den Schultern.
Mir doch egal.
Gehe weiter auf die Tür
gegenüber der Diele zu. Trete ein in ein kleines, sauberes und
ordentliches Schlafzimmer.
Ein schmales Bett. Mit lila
Tagesdecke. Ein Kleiderschrank aus dunklem Holz steht direkt neben der Tür
an der Stirnseite des Zimmers. Er hat zwei Türen.
Ein großer ovaler
Spiegel hängt in der Mitte der Wand. Ein länglicher
Toilettentisch unter der Dachschräge. Davor ein Hocker mit einem
weichen, dunkelgrünen Kissen.
Verschiedene
Schminkutensilien stehen auf dem Tisch.
Alle möglichen Gläser,
Bürsten, Tuben, Spraydosen, Makeup-Stifte und Tiegel. Parfüms,
Lippenstifte, Puderdosen, Mascara, Reinigungslotion, Handcreme,
Lidschatten, Rougeperlen, Nagellack.
Alles durcheinander. Oder ein
organisiertes Chaos.
Wer weiß.
Eine weiß gestrichene Tür
führt vom Schlafzimmer in ein kleines, fensterloses Badezimmer. In
der Mitte steht eine Duschkabine. Wo die Decke am höchsten ist.
Ich gehe wieder zurück
ins kleine Schlafzimmer. Öffne den Kleiderschrank.
Auf Bügeln hängen
Kleider, Jacken, Röcke, Mäntel, Anzüge und ein Trenchcoat.
Hemden, T-Shirts, Unterwäsche und Socken liegen hingegen in
Schubladen.
Unter der Kleiderstange
befinden sich viele Paar Schuhe. Sowohl für Frauen als auch für
Männer.
Im Regal darüber sehe
ich einige Hüte für Frauen. Und Perücken.
Eine von ihnen ist wunderschön
rot.
Ich setze mich auf den Hocker
am Toilettentisch. Überlege kurz.
Entscheide dann. Stehe wieder
auf. Recke mich nach der roten Perücke. Stelle mich vor dem Spiegel
in Pose.
Sie reicht mir bis auf die
Schultern. Und fühlt sich erstaunlich echt an.
Das Haar könnte echt
sein.
Ich schaue mir die Hüte
im Regal des Kleiderschrankes an.
Zwei davon sind rosa.
Ich wähle den breiteren.
Setze ihn mir auf den Kopf. Auf die Perücke. Betrachte mich wieder
eingehend im Spiegel.
»Ha, ha, ha!«
Grettir steht in der Tür.
Und lacht.
»Du siehst super aus!«,
ruft er. »Möchtest du auf einen Kostümball?«
Ich gucke wieder in den
Spiegel, ohne dem Jungen zu antworten.
Aber ich sehe nicht mehr nur
mein eigenes Spiegelbild. Sondern auch die Schwarzweißfotos von der
Frau mit dem ausladenden Hut. Die die Überwachungskameras der
Schwarzjacken in der Reykjaviker Innenstadt eingefangen haben.
»Ich mach mir gleich in
die Hose!«, johlt Grettir.
»Da drinnen ist eine
Toilette«, antworte ich, mit meinen Gedanken ganz woanders.
Ich lege die Perücke und
den Hut an ihren Platz zurück.
Schließe den
Kleiderschrank. Gehe wieder nach vorne ins Wohnzimmer. Bleibe am
Schreibtisch stehen. Ziehe mir meine Handschuhe an und klappe den Laptop
auf. Versuche, ihn hochzufahren.
Das System verlangt ein
Passwort.
Mir fällt ja gar nicht
ein zu versuchen, dieses Rätsel zu lösen. Schließe den
Computer daher schnell wieder. Aber hebe den Deckel des Scanners.
Ein Foto liegt auf der
Glasplatte. Mit der Rückseite nach oben.
Ich drehe es um.
Einen viel zu langen
Augenblick habe ich das Gefühl, als würde das Herz in meiner
Brust zu Stein.
Ich halte die Nacktaufnahme
in der Hand. Das alte, widerliche Pornobild, wo der kleine Kalli auf
Donald Garbers Schoß sitzt.
Bingo!
Ich habe den Wohnsitz des
geheimnisvollen Unbekannten gefunden, der Pfarrer David die E-Mail
geschickt hat. Das Foto aus dem Bunker.
Oder die geheimnisvolle
Unbekannte.
Der nächste Schritt ist
es, die geheimnisvolle Frau ausfindig zu machen, die Karen manchmal am
Abend bemerkt, aber nie gesehen hat.
Ich warte darauf, dass der
Junge wieder von der Toilette kommt. Angle mein Handy aus der
Manteltasche. Rufe die alte Schwarzjacke an. Njördur
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