Das letzte Vermächtnis der Templer (German Edition)
genügend Zeit, um das Mädchen in Sicherheit zu bringen.
„So eine verfluchte Scheiße“, schimpfte die Killerin.
In Windeseile hatte sie ihre Barrett zusammengepackt und im Kofferraum verstaut. Jetzt saß sie im Wagen und raste davon. Ein zweiter Versuch wäre sinnlos, ihre Gegner waren gewarnt. Ihr blieb nur die Flucht – vorerst zumindest. Ans Aufgeben dachte sie keine Sekunde. Sie würde den Auftrag ausführen. Aber wie sollte sie es Tyr erklären? Sie hatte den Jungen getötet, ein bedauerlicher Betriebsunfall. Ihre Gegner waren in der Tat nicht zu unterschätzen, das hatte sie bereits in Koblenz erfahren. Alles wäre erfolgreich verlaufen, hätte sie nur eine Sekunde früher abgedrückt. Nur eine Sekunde. Wie die Zeit über Leben und Tod entscheiden konnte. Genau wie bei ihren Eltern, damals vor fast 20 Jahren. Wären nicht die beiden Dealer dazwischengekommen, hätten die Killer auch Bianca getötet, nachdem sie bereits ihre Eltern hingerichtet hatten. Jetzt hatte sie das Leben eines 19-jährigen Jungen ausgelöscht - was wohl aus ihm geworden wäre? Aber ein Leben mehr oder weniger zählte für sie nicht.
Tränenüberströmt kauerte Viktoria am Fuß der Treppe. Sie weinte bitterlich, schrie vor Schmerz. Martin war tot! Erschossen. Mit einer Kugel, die ihr gegolten hatte. Sophia hatte ihre Schwester in die Arme genommen, konnte ihr aber keinen Trost spenden. Die Zwillinge saßen ebenfalls schluchzend am Boden und hielten sich umklammert.
„Warum?“, jammerte Viktoria.
Sie war für den Tod ihres Freundes verantwortlich. Sie hatte ihm die Adresse mitgeteilt. Sie hatte die Gefahr ignoriert.
„Ich bin bei dir“, versuchte Sophia, sie zu trösten.
Aber sie konnte Viktoria nicht beruhigen. Sie hatte einen weiteren geliebten Menschen verloren. Tausend Bilder zogen durch ihr Bewusstsein: der erste Kuss, die erste Nacht, die vielen gemeinsamen Stunden. Ihr Alptraum wollte nicht mehr enden.
„Warum?“, seufzte sie wiederholt schluchzend und sah ihre Schwester an.
Auch Sophia hatte Tränen in den Augen. „Ich weiß es nicht“, antwortete sie leise.
„Ist es wegen Papas Geheimnis?“ Ihre Stimme war nur noch ein Flüstern.
Sophia nickte.
Viktoria senkte ihren Blick, schluchzte erneut auf, als sich die Erkenntnis mehr und mehr in ihr festsetzte. Sie hatte Tassones Worten nicht glauben wollen, seine Erzählung vom Kampf um die Macht, von Verschwörungen. Doch es gab sie, all die Dinge, die im Verborgenen geschahen – und sie war mittendrin. „Es ist allein meine Schuld“, jammerte sie.
„Ist euch etwas passiert?“, hörte sie Hauser fragen.
Sie sah auf. Er stand mit Tassone zusammen.
„Nein“, antwortete Sophia. „Vicky ist okay. Aber der Junge ist tot.“
„Wie konnte das geschehen?“, hakte Hauser nach und sah Viktoria prüfend an.
„Ich … ich habe …“, stotterte sie, „ich habe Martin angerufen.“
„Du hast was? Ich hatte euch doch verboten, mit den Handys zu telefonieren!“, fluchte er. „Wie konntest du …?“
„Es … es …“ Erneut schluchzte sie auf.
„Sei nicht so streng mit ihr“, bat Sophia und drückte ihre Schwester an sich.
„Streng? Was denkt ihr eigentlich, was das hier ist? Das ist kein …!“
„Sei still“, unterbrach Tassone. „Das macht den Jungen nicht wieder lebendig. Wir müssen ein neues Versteck suchen. Der Killer ist geflohen, aber er wird sicherlich wiederkommen.“
Verärgert strich sich Hauser durch die Haare.
„Ich weiß jetzt, was letzten Sonntag geschah“, sprach Viktoria leise. Der Schock um Martins Tod hatte ihre Erinnerungsblockade gelöst.
„So?“, fragte Sophia erstaunt. „Erzähl!“
Auch Hauser und Tassone horchten auf.
„Wir waren auf dem Weg zu einer Ausstellung …“, begann sie stockend. „Dort wollte sich Papa mit einem Mann treffen.“
„Mit wem?“, fragte Sophia.
„Ich … ich weiß es nicht. Papa hatte es nur ganz kurz erwähnt.“
„Und weiter?“
„Auf der Fahrt überholte uns ein Motorradfahrer … später sah ich sein Motorrad am Seitenstreifen stehen … es hatte so einen auffälligen orangefarbenen Koffer … den Typen sah ich im Gebüsch, er hatte seinen Helm noch auf, es blitzte in seiner Hand … dann gab es einen Knall und der Wagen kam ins Schleudern … Papa versuchte noch gegenzulenken, Mama schrie … dann krachte es, Glas splitterte … der Motor fing Feuer … irgendwie kam ich raus, die Tür war auf … ich kroch über die Wiese, da stand plötzlich ein Mann vor
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