Das letzte Zeichen - Die Verschwundenen: Band 2 (German Edition)
deine Sache gut machst, dann wird das Messer verschwinden. Kein Messer, keine Zeugenaussage, nichts. Mach deine Sache gut und du musst nie wieder in diese Siedlung zurück, okay?«
Thomas sah ihn aufmerksam an und Devil nickte rasch. »Alles klar«, erklärte er, und seine Stimme klang etwas weniger großspurig.
»Gut«, meinte Thomas und zog die Mundwinkel leicht nach oben. »Das ist sehr gut, Devil.«
23
R affy trank einen Schluck Wasser und genoss, ausgestreckt im saftigen Gras, die warmen Sonnenstrahlen, einen Moment der Ruhe, bevor er wieder an die Arbeit musste. So eine Arbeit kannte er bis jetzt nicht, ein Knochenjob, eine schweißtreibende Arbeit, bei der ihm die Puste wegblieb und ihm die Knochen wehtaten. Und nach getaner Arbeit war er so erschöpft, dass er zu Hause oft kein Wort mehr herausbrachte und gleich ins Bett fiel vor Müdigkeit.
Doch er liebte die Ordnung, die Regeln, die Disziplin und die Kameradschaft. In den zehn Stunden am Tag, die er bei der Arbeit war, hatte Raffy das Gefühl, dass das Leben einen Sinn hatte, dass er es unter Kontrolle hatte, dass alles in Ordnung war. Die Arbeit war zwar einfach, aber sie erfüllte einen Zweck; er sorgte dafür, dass die Menschen genug zu essen und zu trinken hatten. Er war Bauer; er konnte erhobenen Hauptes durch die Siedlung gehen. Zum ersten Mal in seinem Leben begegnete ihm weder Hass noch Misstrauen.
Zumindest bis jetzt.
Er stieß einen tiefen Seufzer aus und stützte sich auf die Ellenbogen. Gleich nachdem er von Benjamin weggegangen war, war er zu Neil geeilt und hatte sich bei ihm entschuldigt. Er hatte ihn um Verzeihung gebeten und sogar erklärt, er werde ein paar Unterrichtsstunden nehmen. Anschließend war er beschämt nach Hause gegangen, um sich bei Evie zu entschuldigen und ihr zu versprechen, dass so etwas nicht wieder vorkommen würde.
Neil hatte ihm zugehört, ihm ein paar Fragen gestellt und ihn genau beobachtet. Dann hatte er Raffy umarmt und ihm gesagt, dass er jetzt zur Siedlung gehöre, dass er sein Bruder sei und dass er sich nicht entschuldigen müsse. Raffy war sich ganz klein vorgekommen, als Neil ihm zum Zeichen seiner Freundschaft die Hand gab, ihm ohne Weiteres verzieh und ihm zum wiederholten Mal anbot, Raffy könne an seinem Unterricht teilnehmen und er werde ihm ein Buch seiner Wahl besorgen.
Evie jedoch war seinem Blick ausgewichen und hatte nichts erwidert auf seine verzweifelten Bitten, sie möge ihm verzeihen. Evie hatte ihn nur mit versteinerter Miene angesehen und war dann zur Arbeit gegangen – allerdings nicht in der gewohnt aufrechten Haltung. Sogar später beim Mittagessen hatte sie ihm vorwurfsvolle Blicke zugeworfen. Er hatte sie enttäuscht. Er hatte alle enttäuscht.
Deshalb hatte er beschlossen, Benjamins Rat zu befolgen und sich in die Arbeit zu stürzen, sich darauf zu konzentrieren, die Werte der Siedlung hochzuhalten und ein wertvolles und wichtiges Mitglied der Gemeinschaft zu werden. Er hatte schwerer gearbeitet, als er sich je zugetraut hätte, war früh zur Arbeit erschienen, hatte keine Pause gemacht und für zwei geschuftet. Und jetzt ging es ihm tatsächlich viel besser. Er war zwar völlig erschöpft, und alle Muskeln – auch die, von denen er bislang gar nicht gewusst hatte, dass es sie überhaupt gab – schmerzten, aber er fühlte sich besser.
Und auch sein Verhältnis zu Evie war besser geworden. Sie taute allmählich auf, wich seinem Blick nicht mehr aus und lachte manchmal sogar über seine Witze.
Alles kommt wieder in Ordnung, dachte er bei sich. Er wollte sich bewähren und ihr beweisen, dass er ihrer würdig war. Und wenn er und Evie erst verheiratet wären, dann wäre sein Glück vollkommen. Davon hatte er immer geträumt, und es war mehr, als er jemals erwartet hatte. Und wenn sie für immer miteinander verbunden waren, würde er sich bestimmt entspannen und hätte keine Angst mehr, dass jemand sie ihm wegnehmen könnte. Er wusste, dass Benjamin recht hatte, als er von Vertrauen sprach und davon, Evie ihre Freiheit zu lassen. Und Raffy bemühte sich wirklich sehr. Aber es lag nicht in seiner Natur, sich vollkommen zu entspannen. Die Erfahrung hatte ihn gelehrt, dass die Habichte ständig über ihm kreisten und er immer auf der Hut sein musste.
Raffy ließ sich wieder ins Gras zurücksinken und blickte zum Himmel hinauf. Hier war der Himmel so unendlich weit, viel weiter als in der Stadt, und es gab so unendlich viel Luft, Licht, Sauerstoff.
Hier in der Siedlung konnte er
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