Das Leuchten der Insel
Nachbarn besaß einen Bagger, und so waren sie in der Lage, auf dem kleinen Friedhof von Sounder ein Grab für Bill auszuheben. Seit seiner Kindheit in Massachusetts hatte er keinen Fuß mehr in eine Kirche gesetzt, aber Jim wollte ein hölzernes Kreuz zimmern, um das Grab zu markieren, und Betty hatte nichts dagegen. Wenn es Jim ein besseres Gefühl gab, dass sein Vater unter einem Symbol für Gott beerdigt war, dann sollte es so sein.
Ted Ross, der sich mit Autos hervorragend auskannte und jeden Motor reparieren konnte, überprüfte den Pick-up nach dem Unfall und stellte eine mechanische Funktionsstörung fest, die dazu geführt hatte, dass der Gang herausgesprungen war. »Es war nicht deine Schuld, Betty«, sagte er und hielt ihr das defekte Teil zur Begutachtung hin. »Es hätte jedem passieren können.«
»Aber das ist es nicht«, sagte sie. »Es ist mir passiert.«
Der Gerichtsmediziner teilte ihr mit, dass unglückliche Umstände Bills Tod verursacht hätten. Wegen seiner verhängnisvollen Position bei dem Aufprall sei Bill nach vorn geschleudert worden und mit dem Kopf so heftig auf den harten Boden geschlagen, dass er eine Schädelfraktur erlitten habe.
Jim gab ihr nie auch nur mit einem Blick die Schuld an dem Unfall. Doch er trauerte mehr um seinen Vater, als sie es angesichts der Tatsache, dass Bill so wenig Zeit zu Hause verbracht hatte, für möglich gehalten hätte. Aber sie verstand, dass er zum Teil auch um den Verlust all der Möglichkeiten trauerte, deren Realisierung er sich von seinem Vater erhofft hatte.
Er versuchte, sich um sie zu kümmern, so weit ihm das als zwölfjähriger Junge möglich war. Er machte unbeholfen überbackene Käsesandwiches zum Essen und stellte sie vor Betty hin, obwohl sie keinerlei Appetit hatte. Er verbrachte weniger Zeit mit seinen Freunden und mehr Zeit zu Hause, um auf sie aufzupassen. Bobbie bat sie, zu ihr nach Seattle zu ziehen, aber Betty lehnte ab. Sounder war die einzige Heimat, die Jim je kennengelernt hatte. Außerdem musste sie hierbleiben, wo Bill zuletzt gewesen war und wo er nun für immer war.
Mit seinem Tod verblasste viel von der Bitterkeit, die sie wegen seiner Seitensprünge empfunden hatte, und ebenso ihr Schmerz über die Monate und Jahre, die sie hatte allein verbringen müssen. Sie blieb mit den Überresten ihrer Liebe, ihrer Sehnsucht und mit einem alles verzehrenden Schuldgefühl zurück.
Als Bill noch am Leben war, hatte sie kaum Schuldgefühle wegen ihrer Affäre mit Barfuß gehabt. Barfuß liebte und förderte sie in einer Weise, wie es Bill nie getan hatte. Sie vertraute Barfuß vollständig. Sie hatte genug über sich selbst gelernt, um zu erkennen, dass ihre Ehe ohne Barfuß unter dem Gewicht ihres Zorns und ihrer Einsamkeit zusammengebrochen wäre. Und das hätte ihren Sohn zerstört, der nichts von der Untreue seines Vaters wusste. Aber nun erschien ihr ihre Beziehung zu Barfuß schäbig. In manchen ihrer schlimmsten Augenblicke mit Bill hatte sie Bill den Tod gewünscht. Und jetzt war er tot, und sie trug die Verantwortung dafür.
Sie wurde von den Was-wenns verfolgt: Was, wenn sie nicht so wütend gewesen wäre und nicht beschlossen hätte, ohne ihn durch das Tor zu fahren, oder wenn sie selbst rausgesprungen wäre, um das Tor zu öffnen …
Sie hatte Bills Gegenwart in ihren Tagen und Nächten häufig selbst dann gespürt, wenn er fort war. Nun, in seiner endgültigen Abwesenheit, war diese Gegenwart intensiver denn je. Sie konnte nicht schlafen, weil sein Körper ihr Bett füllte. Sie konnte nicht essen, weil sie ständig sein Gesicht auf der anderen Seite des Tisches vor sich sah. Sie konnte nicht auf der Veranda sitzen, weil sie auf das Geräusch seiner Schritte auf der Schotterzufahrt wartete. Zu Barfuß, der sofort zu ihr kam, nachdem er von dem Unfall gehört hatte, sagte sie, dass sie ihn für eine Weile nicht sehen könne, noch nicht einmal als Freund. Sie brauche Zeit zum Nachdenken.
Barfuß bemühte sich. Er kam zu ihrem Haus, stellte sich auf die Veranda und sprach durch die Tür zu ihr. Er stellte ihr Kräuter und Tee, Wein und Essen hin. Er schrieb ihr, aber sie ließ die Briefe auf dem Boden bei der Eingangstür liegen und einstauben. Sie hatte es nicht verdient, so geliebt zu werden.
Als der Frühling kam, stürzte sie sich in die körperliche Arbeit auf der Farm. Es war eine Erleichterung, bis zur Erschöpfung arbeiten und dann ein paar Stunden schlafen zu können. Sie musste bis Ende Mai mit der Aussaat
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