Das Leuchten der Insel
sah über ihre Schulter auf die Scorecard.
»Du bist ein Teufelsweib!«, sagte er. »Du weißt, was ein Unassisted Putout ist?«
»Klar«, erwiderte Betty. »Mein Dad war ein Baseballfan, und nach seinem Tod habe ich mir weiter die Spiele im Radio angehört und bin mit Jimmy zu Spielen gegangen. Das verbindet mich meinem Dad, auch wenn er von uns gegangen ist.«
Bill schüttelte den Kopf: »Ein Teufelsweib«, wiederholte er. »Du bist so ganz anders als Jacqueline.«
Betty verharrte reglos, den Stift über ihrer Punktetabelle. Jacqueline. Er sprach den Namen französisch aus, nicht amerikanisch, und Betty dachte sofort an jemand Zierliches und Graziles mit dunklem lockigem Haar, dunklen Augen und einer makellosen Porzellanhaut. Jacqueline.
Bill legte eine Hand auf Bettys, damit sie aufhörte zu schreiben, und eine unter ihr Kinn, um ihr Gesicht zu sich zu drehen. »Du hast nie nach ihr gefragt«, sagte er. »Ich möchte es dir erzählen.«
»Okay.«
»Wir waren ein Highschoolpärchen«, erklärte er. »Ich meldete mich am Tag meines Examens 1944 zum Militärdienst und bekam zwei Tage später den Befehl, mich nach Killeen, Texas, zum Training zu begeben. Ich war achtzehn und noch nie zuvor geflogen. Ich hatte Angst. Am Tag vor meinem Aufbruch bat ich Jacqueline, mich zu heiraten. Ich wollte …« Er hielt inne. »Ich wollte irgendeine feste Verbindung nach Hause haben.«
Betty hörte den harten Knall, als der Schläger den Ball traf. Die Menge um sie herum grölte.
»Sie war sehr abhängig von mir«, erzählte er. »Selbst in der High School. Sie ging noch nicht mal ohne mich ins Kino, weil es ja hätte sein können, dass ich anrief und etwas mit ihr unternehmen wollte. Sie las all die Bücher, die mir gefielen. Es war schmeichelhaft – eine Zeit lang. Meine Mutter war begeistert von ihr. Dann wurde meine Einheit 1944 einen Tag nach Weihnachten nach Belgien verlegt.«
Er nickte als Antwort auf die Frage in Bettys Gesicht. »Ja. Die Ardennenschlacht. Ich will nicht darüber reden.« Er hielt kurz inne, bevor er weitersprach. »Der Krieg endete, und ich kam nach Hause; und da war Jacqueline, die meinen Ring trug und mich aufgeregt und stolz erwartete. Ich wollte sie nicht heiraten. Ich war ein anderer Mann geworden. Aber ich wusste nicht, wie ich mit Anstand da rauskommen sollte.« Er schüttelte den Kopf. »Und so bin ich ein Jahr später ohne jeden Anstand aus der Sache ausgestiegen. Ich habe eine Affäre angefangen, das Herz von Jacqueline und meiner Mutter gebrochen und bin hier hergezogen, um meiner Schande zu entkommen. Jetzt weißt du es.« Er umschloss Bettys Gesicht mit seinen Händen. »Aber du bist völlig anders«, sagte er. »Du hast deinen eigenen Kopf und bist stark und eine eigenständige Person. Ich bin verrückt nach dir, Betty.«
Ihr Herz raste in ihrer Brust. Und die Menge grölte erneut. »Ich habe zwei Innings verpasst«, erwiderte sie.
Bill grinste sie an, nahm ihre Scorecard und riss sie in kleine Stücke, die er dann wie Konfetti in die Luft warf. Die Papierstückchen rieselten auf sie herab, als er sich vorbeugte, um sie zu küssen, wobei er seine Lippen warm und kraftvoll auf ihre presste.
Sechs Monate später wurden sie im Rathaus getraut, und einen Monat später stellte sie fest, dass sie schwanger war. Sie war neunzehn Jahre alt, der grünäugige Bill Pavalak liebte sie, und sie trug sein Baby in sich, und zum ersten Mal in ihrem Leben war die rastlose Sehnsucht, die sie stets angetrieben hatte, gestillt, und sie war glücklich.
6. Kapitel
Susannah 2011
S usannah stand in der Mitte ihres neuen Zuhauses und versuchte, nicht in Panik zu verfallen. Das kleine Cottage selbst war wunderbar. Es hatte Balkendecken und weiße Holzwände und auf der einen Seite des Wohnzimmers Fenstertüren, die auf einen welkenden Garten hinauswiesen. Die Möbel waren sauber und bequem, und das ganze Haus war mit wohnlichen Dingen angefüllt: hellumrandete Brücken auf den Böden, handgefertigte Steppdecken auf den Betten, sogar ein blauer Tonkrug mit späten Dahlien aus dem Garten auf dem runden Speisetisch im Wohnzimmer. Die Küche, die an einem Ende des großen l-förmigen Wohnbereichs lag, verfügte über den größten Herd, den Susannah je gesehen hatte. Er bestand aus schwarzem Gusseisen und hatte Messinggriffe an den zahlreichen Türen und Auszügen. Susannah fühlte, wie seine Wärme von der anderen Seite des Raumes zu ihr herüberströmte. Aber Katies einzige Reaktion hatte darin
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