Das Leuchten der Insel
es so viele Äpfel gegeben, dass Susannah alle nur möglichen Rezepte rausgesucht hatte und Apfelbutter, Apfelkompott, Apfeltorte, Apfelchips und Tonnen von Apfelmus gemacht hatte. Ihr Kuchen würde nicht die einzige Leckerei mit Äpfeln auf der heutigen Party sein.
Susannah streifte ihre Schuhe ab, ging zu dem Tisch mit den Speisen und stellte ihren Kuchen ab. Während die Stühle für das Ereignis kreisförmig zusammengerückt waren, standen die mit Pizza, Salaten, Küchlein und anderen selbstgemachten Speisen beladenen Pulte und Tische an der Wand. Die sechs Plakate von Susannah hingen vorn an der Tafel.
Durch die ungewohnt große Zahl der Anwesenden – die fünfzehn Schüler, ihre Angehörigen und Jim – gab es mehr Personen als Stühle, weshalb sich Susannah einen Platz an der Wand neben Betty gesucht hatte. Susannah ließ ihren Blick durch den Raum streifen. Inzwischen kannte sie jeden und hatte auch die meisten Namen sofort parat. Sie sah beispielsweise Evelyne Waters mit ihren Eltern. Quinn saß neben Declan O’Meara, dem jüngsten Mitglied des fünf Kinder zählenden O’Meara-Clans. Barfuß stand mit einem blauen Tuch um den Kopf in einer Ecke und hielt eine unangezündete Pfeife zwischen den Zähnen, und Susannah fragte sich, ob er darin etwas anderes als Tabak rauchte. Als sich Jim vorn in den Raum stellte, um alle willkommen zu heißen, ging ein erwartungsvolles Raunen durch den Raum.
»Danke, dass ihr hier seid«, sagte er. »Dies ist mein erster Pizza&Poetry-Tag als Lehrer auf Sounder, und ich bin ziemlich aufgeregt. Ich möchte auch unseren anderen Erstlingen danken, der Familie Delaney: Katie und Quinn, die eine wunderbare Ergänzung unserer Schülerschaft bilden, und ihrer talentierten Mutter Susannah, welche die Plakate geschaffen hat, die ihr hier hängen seht.« Jim lächelte ihr zu und fuhr fort, indem er auch den anderen Eltern dankte, die geholfen hatten. »Wie wir alle wissen, gibt es am Pizza&Poetry-Tag nicht so etwas wie ein schlechtes Gedicht. Wir preisen alle Bemühungen, und wir würdigen die Schwierigkeit, die mit dem Schreiben eines Gedichts verbunden ist.«
Als Ersten kündigte er Declan an, der sich unter Applaus erhob, rasch sein Gedicht herunterlas und mit einer Verbeugung schloss. Jim nahm jeden der im Kreis Sitzenden dran. Als Quinn an der Reihe war, bemerkte Susannah erfreut die Art, wie er dastand, laut und deutlich sprach und wie die Winkel seiner blauen Augen von einem Lächeln hochgezogen wurden, ermutigt durch das Gelächter der Menge an den lustigen Stellen seines Gedichts. Nach Quinn kam Evelyne, dann Katie.
Susannah beugte sich vor, um sie besser hören zu können. Katie trug ihr Haar nicht wie sonst zum Pferdeschwanz gebunden, sondern offen, und schüttelte den Kopf ein wenig, damit es die Seiten ihres Gesichts bedeckte.
»Der Titel lautet Captain Blue «, sagte sie und begann mit ihrem Vortrag:
Ah, du so glückseliges Kraut,
das Vergessen schenken kann
und Leichtigkeit, beenden das Leid.
Auf dessen süßen Schwaden aus Rauch
schwerelos und frei Heiterkeit schwebt
und Fried und Freud, ein langgehegter Traum.
Gelbbraun, jetzt reif und freudig hervorgebracht,
um breit lächelnd zu stehen im Paradies
der Wärme und der Wonnen,
die zu genießen noch sind.
Wo jeder Atemzug lange Freudenschübe gebiert
und eine Lust, so stark,
dass niemand es erträgt zu widerstehen.
Ah, du so glückseliges Kraut,
wie haben wir gespielt!
Mit gerötetem Gesicht setzte sie sich.
Susannah lehnte sich zu Betty vor. »Liegt es nur an mir? Ich habe keine Ahnung, wovon es gehandelt hat.«
Betty sah ihr in die Augen. »Ich mag fast achtzig sein«, sagte sie, »aber ich glaube, Ihre unbezähmbare Tochter hat hier gerade eine wohlformulierte und fundierte Ode auf Marihuana vorgetragen.«
15. Kapitel
Betty 1961
B ettys Leben mit Bill ging so weiter, Jahr für Jahr. Bill fuhr im Frühherbst fort, um während der Königskrabben-Fangsaison in Alaska zu arbeiten, und kam sechs oder sieben oder zehn Monate später wieder. Im Sommer war er dann zu Hause. Er half auf der Farm und verbrachte möglichst viel Zeit mit Jimmy.
Betty fragte nie nach anderen Frauen, und Bill gab von sich aus nie irgendwelche Informationen preis. Aber sie wusste Bescheid. Sie wusste es durch die Art, wie er etwas beschrieb: einen Film, den er gesehen hatte, oder ein neues Restaurant in Seattle. »Wann warst du in Seattle?«, fragte sie, und er antwortete, er habe dort vor oder nach der Krabben-Fangsaison
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