Das Leuchten der Insel
seinem Gewächshaus an. Ja, die Drogenfahndung hat bei der Razzia vor ein paar Jahren zwei Marihuanapflanzen bei ihm gefunden. Vielleicht baut er es noch immer an – als Medizin . Aber er würde es nie und unter keinen Umständen einem Kind geben.« Jims Augen waren ernst. »Ich kenne Barfuß Jacobsen schon mein ganzes Leben lang.«
»Gut«, willigte Susannah ein, ohne dass sich der Sorgenknoten in ihrer Brust löste.
Jim schwieg einen Moment lang, dann beugte er sich in seinem Schaukelstuhl vor und sah ihr ins Gesicht. »Hören Sie, Sie sind hier nicht vor allen Problemen sicher. Die Kinder mögen hier vielleicht nicht die gleichen Möglichkeiten haben wie in Virginia, sich in Schwierigkeiten zu bringen. Aber dennoch weiß ich von zwei Mädchen in Friday Harbor, die mit sechzehn schwanger wurden. Kinder trinken und steigen in Boote. Ein Junge drüben auf Orcas hat sich im vergangenen Jahr betrunken, ist über Bord gegangen und ertrunken.«
»Das ist schrecklich.« Susannah wollte nicht über das Leid der Familie des Jungen nachdenken oder über diejenigen, die möglicherweise mit ihm an Bord gewesen waren und beobachtet hatten, wie sein Kopf unter der Wasseroberfläche versank, und auf das Normale, Vertraute warteten, bevor sie erkannten, dass nichts je wieder normal sein würde. »Überall geschehen schlimme Dinge, ich weiß.«
Sie saßen eine Weile schweigend da und beobachteten den Himmel.
»Wovor haben Sie solche Angst«, fragte Jim schließlich sanft. »Ich meine in Bezug auf Katie und Quinn.«
Susannah schloss die Augen. Sie konnte den vom Schornstein herüberwehenden Rauch riechen, den lehmigen Duft von Holz. Sie fühlte sich wohl in Jims Nähe. Er mochte sie fraglos und verstand, dass ihre Kinder nicht perfekt waren, und er verurteilte sie als Mutter nicht dafür. Er und Fiona arbeiteten, wie er angedeutet, aber nicht ausgeführt hatte, an ein paar Problemen in ihrer eigenen Ehe, genauso wie sie das mit Matt tat. Sie vertraute ihm.
»Meine Schwester ist meinetwegen gestorben«, sagte sie mit leiser Stimme. »Es ist meine Schuld gewesen.«
»Möchten Sie darüber reden?«
»Nein. Aber das ist der Grund, warum ich alles in meiner Macht Stehende tun muss, um meine Kinder zu beschützen. Ich habe Angst, dass unter meiner Obhut wieder etwas Schreckliches passieren könnte.«
Jim atmete langsam aus, und sein Atem verwandelte sich in der kalten Abendluft in Nebel. »Sie haben gesagt, dass Sie hierhergekommen sind, weil Sie etwas ändern mussten. Vielleicht ist es genau diese Sache, die Sie ändern müssen.«
Susannah lachte bitter: »Ich kann Janie nicht zurückholen.«
»Nein«, räumte Jim ein. »Aber vielleicht können Sie sie loslassen.« Er hielt eine Minute lang inne, bevor er fortfuhr: »Was ich damit meine, ist – und ich sage dies als Ihr Freund, nicht als Ihr Kritiker –, dass selbst wenn der Tod Ihrer Schwester Ihre, wie Sie es formulieren, ›Schuld‹ gewesen sein sollte, das nicht bedeutet, dass Sie es deshalb verdient hätten, von Ihrer Tochter oder von sonst wem schlecht behandelt zu werden.«
Susannah erwiderte nichts. Und sie saß noch lange, nachdem sie sich voneinander verabschiedet hatten und Jim nach Hause gegangen war, still da und dachte nach.
Später am Abend, nach dem Abendbrot, stand Susannah neben Katie an der Spüle und trocknete das Geschirr ab, das Katie wusch. Quinn war zu den Pavalaks hinübergegangen, um nach Baker zu suchen, der ihm gewöhnlich bei seinen Mathematikaufgaben half.
»Ich rauch’ kein Pot, Mom«, sagte Katie, die Augen auf das Spülbecken gerichtet. »Ich hab’s nie gemacht, okay? Ich hab mich gelangweilt, und wir haben diese Aufgabe bekommen, und ich fand es cool, ein altmodisches, formales Ding wie eine Ode zu nehmen und damit etwas völlig Überraschendes, Modernes zu thematisieren wie das Rauchen von Pot.«
»Für jemanden, der noch nie Marihuana ausprobiert hat, hast du dein Gedicht aber mit vielen ziemlich anschaulichen Details gespickt«, meinte Susannah. Sie stellte den Teller, den sie in der Hand hielt, hin und drehte ihr Gesicht ihrer Tochter zu. »Ich habe die Hälfte davon nicht verstanden. Wer oder was ist Captain Blue ?«
»Das ist eine bestimmte Sorte von Pot. Ich habe im New Yorker darüber gelesen. Online.«
»So begeistert ich von deinen Internetrecherchefähigkeiten auch bin, ich kann noch immer nicht fassen, dass du ein Gedicht über die Freuden des Marihuanakonsums in einem Raum voller Kinder vorgelesen hast, zu denen auch
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