Das Leuchten der Insel
dein kleiner Bruder gehörte. Du bekommst eine Woche lang Hausarrest. Ich habe mit Jim darüber gesprochen. Er suspendiert dich für zwei Tage vom Unterricht.«
»Ich bin suspendiert?« Katie ließ den Spüllappen in das mit Spülwasser gefüllte Becken fallen und drehte sich zu ihrer Mutter um.
»Das öffentliche Schulsystem hat eine niedrige Toleranzschwelle gegenüber Verhaltensweisen, die, wie er es formulierte, ›den pädagogischen Prozess stören‹.«
»Ich bin suspendiert, weil ich ein Gedicht geschrieben habe?«
»Die Kinder fragen, wovon dein Gedicht gehandelt hat. Ich bin sicher, dass einige von ihnen es bereits wissen. Sie werden es den kleineren Kindern sagen. Ob es dir nun gefällt oder nicht, als Achtklässlerin und eine der ältesten Schülerinnen an einer sehr kleinen Schule bist du ein Vorbild.«
Katie drehte sich wieder zur Spüle. Sie sagte: »Okay«, nahm einen Schwamm und begann mit gesenktem Kopf, sodass ihr das Haar übers Gesicht fiel, an einer gusseisernen Pfanne zu scheuern. Nach einiger Zeit beugte sich Susannah zu ihr vor und setzte an, etwas zu sagen, aber Katie schüttelte den Kopf. Als die Pfanne sauber war, reichte Katie sie ihrer Mutter zum Abtrocknen, ohne Susannah dabei anzusehen. Schließlich sagte sie: »Es tut mir leid, okay?«
»Okay«, sagte Susannah. »Danke. Ich weiß das zu schätzen.« Sie setzte die Pfanne ab. »Katie, ich will, dass du glücklich bist! Ich habe dich hergebracht, damit du in Sicherheit bist, nicht, um dich zu bestrafen.«
»Ich weiß«, versicherte Katie und wirkte unbehaglich.
»Hör mal, ich bin stolz darauf, dass du so tolle Texte schreiben kannst. Jim hat mir von einem Aufsatz von dir über Steinbeck erzählt. Ich würde ihn sehr gern mal lesen.«
»O Gott. Ich will ihn dir aber nicht zeigen.«
»Wirklich nicht?«
»Vielleicht später mal.«
»Gut. Noch was.« Susannah sah ihre Tochter an. »Danke, dass du Jim von meiner Malerei erzählt hast. Es hat mir viel Spaß bereitet, die Plakate anzufertigen.«
Katie zuckte die Schultern und hängte den Spüllappen zum Trocknen über eine der Handtuchhalter am Holzofen.
»Ich werd’ dann wohl mal in mein Zimmer gehen und meine Hausaufgaben machen, weil ich ja Hausarrest habe und nicht zu Hood gehen kann.«
An der Tür zu ihrem Zimmer blieb sie stehen. »Die Plakate sind ziemlich gut geworden. Du solltest so etwas häufiger machen.«
»Danke«, antwortete Susannah, erfreut über Katies Lob. »Ich dachte …«
Aber Katie öffnete die Tür und schloss sie wieder hinter sich, bevor Susannah ihren Satz beenden konnte.
Am nächsten Morgen fuhr Susannah früh über die zerfurchte Straße zum Crane’s Point hoch. Sie fand Barfuß im Gewächshaus, wo er die Blütenköpfe von Kamillenpflanzen abschnitt. Als sie eintrat, kam ihr Toby, der zu Füßen seines Herrn auf dem Boden gelegen hatte, heftig wedelnd entgegen.
»Guten Morgen«, sagte Barfuß, ohne seine Arbeit zu unterbrechen.
Susannah beobachtete ihn ein paar Minuten lang schweigend. »Was machen Sie mit der Kamille?«
»Sehr vieles.«
»Zum Beispiel?«
»Ich brühe einen Tee gegen Koliken und Verdauungsstörungen und zur Beruhigung der Nerven auf. Ich zerreibe sie und gebe sie in eine Paste gegen Verbrennungen und Ausschlag. Ich brühe einen Aufguss für ein Sitzbad gegen Hämorriden auf.« Er legte seine Schere auf einen Holztisch und sah sie an. »Sie sind um halb acht Uhr morgens hierher gefahren, um mit mir über Kamille zu sprechen?«
»Nein«, gestand Susannah. »Katie braucht eine Beschäftigung. Ich habe mich gefragt, ob sie regelmäßig für Sie arbeiten und Ihnen vielleicht dabei helfen könnte, das Boot hier oben wiederherzurichten.«
Barfuß hob die Brauen.
»Nicht gegen Geld«, beeilte sich Susannah hinzuzufügen. »Sie würden mir damit einen Gefallen tun. Sie könnten ihr zeigen, wie man ein Boot aufarbeitet. Sie wäre beschäftigt und würde ein paar neue Fertigkeiten erlernen. Und es könnte Ihnen helfen, die Arbeiten am Boot schneller zu beenden.«
»Hm.« Barfuß nahm wieder die Schere und begann, weitere kleine weiße Kamillenblüten abzuschneiden, die er in eine auf dem Tisch stehende Edelstahlschüssel warf. Seine Hände arbeiteten ruhig und sicher, obwohl seine Finger von seiner Arthritis angeschwollen waren.
»Warum sollte sie das tun wollen?«, fragte er.
»Sie will es nicht«, räumte Susannah ein. »Aber es wird gut für sie sein. Ich glaube, dass es ihr letztlich gefallen wird. Sie lernt gern neue Dinge
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