Das Leuchten der Insel
und mag es, gut in dem zu sein, was sie tut.«
»Sie wirkt ein wenig von sich eingenommen.«
»Sie ist kein schlechtes Kind. Sie ist nur … neugierig und abenteuerlustig, um es mal so zu formulieren. Sie muss ständig etwas zu tun haben, sonst langweilt sie sich, und dann kommt sie in Schwierigkeiten.« O mein Gott, ich klinge wie eine Mutter in Tilton , dachte Susannah. All diese Eltern mit ihren verrückten, mit Sportstunden und allen möglichen Aktivitäten vollgestopften Terminplänen versuchten doch nur, ihre Kinder durch ständige Beschäftigung und Produktivität zu schützen – genau wie sie. »Die Arbeit wird ihr guttun. Katie hatte bisher ein sehr privilegiertes Leben, und ich würde gern ihren Blickwinkel ein wenig erweitern. Sie hält alles für selbstverständlich.«
»Mit ’nem goldenen Löffel im Mund geboren, und glaubt, sie hätte ihn sich verdient.«
»Genau.«
»Gut. Bringen Sie sie heute Nachmittag gegen vier. Aber nur zum Boot. Ich will sie nicht bei meinen Pflanzen haben.«
Ich will sie auch nicht bei Ihren Pflanzen haben. »Ich muss Sie etwas fragen«, sagte Susannah. »Ich habe von der Razzia der Drogenfahndung gehört.«
Barfuß starrte sie unter seinen struppigen Augenbrauen heraus an. »Ja?«
»Ich habe erfahren, dass Sie Marihuana anbauen. Katie ist wegen des Gedichts, das sie geschrieben hat, dieser ›Ode auf Marihuana‹, vom Unterricht suspendiert worden. Und ich habe mich gefragt …«
Barfuß warf ihr einen finsteren Blick zu und wies mit der Schere auf ihr Gesicht. »Raus hier!«
»Was?« Susannah wich zurück.
»Runter, zum Teufel, runter von meinem Grundstück. Glauben Sie, dass ich gutes Cannabis an Ihre verdammte ungezogene Tochter verschwende?«
»Es … es tut mir leid.«
»Was ich anbaue und was ich damit mache, geht ganz allein nur mich was an. Und ich gebe niemandem irgendetwas von dem, was ich anbaue, wenn ich nicht ganz genau weiß, wofür es verwendet wird. Und Kindern gebe ich schon gar keine Kräuter.«
»Ich bitte um Entschuldigung.«
Barfuß wandte sich von ihr ab und begann wieder, Kamillenblüten abzuschneiden.
»Wären Sie noch immer bereit, sie für sich arbeiten zu lassen? Sie könnte sofort kommen. Sie ist heute nicht in der Schule.«
»Lassen Sie sie nach dem Essen herkommen, sagen wir um eins«, sagte Barfuß ohne aufzublicken. »Ich werde ihr was zu tun geben. Sie kann die Arbeit in der Kabine machen, abziehen und schleifen, das Holz etwas bearbeiten. Ich zeige ihr, wie man die Werkzeuge verwendet. Sie kann auch ein paar Tage pro Woche nach der Schule kommen.«
»Ein Uhr«, sagte Susannah. »Danke.«
»Danken Sie mir jetzt noch nicht. Es könnte sein, dass ich sie um Viertel nach eins rauswerfe.«
Als Susannah Katie mitteilte, dass sie den Nachmittag damit verbringen würde, für Barfuß zu arbeiten, nahm Katies Gesicht einen überraschten Ausdruck an.
»Barfuß ist verrückt«, sagte sie. »Hood und Baker haben mir erzählt, dass er irgendjemandem mit einem Gewehr in die Hand geschossen hat, weil der versucht hatte, ihn auszurauben.«
»Jim kennt Barfuß schon sein Leben lang und vertraut ihm hinsichtlich seiner Kinder. Falls die Geschichte wahr ist, was ich bezweifle, dann bin ich sicher, dass er dafür noch weitere Gründe hatte.«
»Tja, vielleicht solltest du das vorher erst einmal herausfinden.«
»Das Risiko gehe ich ein.«
Katie richtete sich in ihrem Bett auf. »Mom, du reagierst so überzogen auf dieses Gedicht! Du weißt doch, dass Marihuana in rund zwanzig Staaten legal ist. Vielleicht solltest du es mal irgendwann ausprobieren.«
»Sehr witzig. Steh auf und zieh dich an.«
»Im Ernst?«
»Ja. Im Ernst. Wir werden sehen, wie das Arbeiten für Barfuß läuft. Außerdem wirst du eine Zeit lang näher beim Haus bleiben. Kein Herumziehen mehr quer über die ganze Insel und kein Verschwinden mehr mit Hood.«
»Was?« Wütende Tränen traten Katie in die Augen. »Das kannst du nicht machen!«
Der Eisberg lauerte da draußen. »Doch, das kann ich«, erwiderte Susannah. »Zieh dich an.«
Nach dem Essen fuhr sie Katie mit dem Wagen zu Barfuß. Sie bremste kaum, um sie abzusetzen. Auf der Rückfahrt fielen ihr wie immer die Schrotthaufen auf den Grundstücken, an denen sie vorbeikam, ins Auge – rostende Gerippe alter Autos und Öfen, Berge zerbrochener Tongefäße, verrottende Holzkisten: die Hinterlassenschaften menschlichen Lebens, die hier sichtbarer waren als anderswo, weil es schwierig war, sie von hier
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