Das Leuchten der Orchideen: Roman (German Edition)
fröhliche Familie«, erwiderte Peter. »Außerdem hat er Tony Tsang offenbar gut gekannt. Sie haben zusammen studiert.«
Julie starrte Peter an.
»Was ist los, Julie?«, fragte Martine.
Julie beugte sich unvermittelt vor. »Tsang? Tony Tsang? Den hat Bette geheiratet?«, fragte sie atemlos nach. »Das wusste ich nicht, ich kannte nur ihren Mädchennamen.«
»Lieber Himmel, du hast ja wirklich nicht viel erfahren. Tut mir leid, dass wir dir das nicht schon früher erzählt haben, aber wir hatten keine Ahnung, was du alles nicht weißt. Das Tsang-Haus gehört zu den großen altehrwürdigen Gebäuden der Peranakan in Penang«, sagte Shane.
»Du kannst es besichtigen, wenn du hinfährst«, setzte Peter hinzu.
»Das ist mir völlig neu. Mum hat Tony Tsang erwähnt, als sie mir von Großmutters Leben vor dem Krieg in Malaya erzählt hat, aber von dieser Verbindung haben wir nichts gewusst. Habt ihr Jungen die Tsangs mal kennengelernt?«, fragte Julie.
»Nein«, antwortete Peter.
»Heute ist das Tsang-Haus ein Boutiquehotel«, sagte Shane, »zumindest ein Teil davon. Warst du mal dort, Peter?«
Sein Bruder schüttelte den Kopf. »Nein, ich glaube, eine Übernachtung dort kostet ein Vermögen.«
Martine lächelte Julie an. »Dein Besuch in Penang verspricht interessant zu werden.«
»Ich hatte ja keine Ahnung«, sagte Julie und lehnte sich kopfschüttelnd zurück.
»Frag Christopher, ob er dich begleitet«, schlug Martine vor. »Du triffst dich doch mit ihm, oder? Das alte Gebäude ist sicher faszinierend.«
»Christopher hat vorgeschlagen, dass wir zusammen essen gehen, wenn ich nach Penang komme, aber jetzt habe ich dort noch so viel anderes vor. Kennst du Bettes frühere Adresse, Shane?«
»Oh, die kennt jeder, es ist das Rose Mansion. Ein großes, rosafarbenes Stuckgebäude mit Golddekor. Ursprünglich stand es direkt am Wasser, aber dann wurde dem Meer etwas Land abgetrotzt, und jetzt führt da eine Promenade entlang«, antwortete Shane.
»Wenigstens wurde das alte Haus nicht abgerissen, sondern restauriert und zum Hotel umgebaut«, meinte Peter.
»Großmutter hat meiner Mutter erzählt, dass er sehr reich gewesen ist. Stimmt das?«, fragte Julie.
Peter gluckste. »Das kann man wohl sagen. Er hatte einen Rennstall in den goldenen Jahren vor dem Krieg. Aber auch danach ging es den Chinesen und Peranakan bestens. Erst mit den antichinesischen Ausschreitungen in den 1960ern hat sich ihre Lage drastisch geändert.«
»Wahrscheinlich ist die Geschichte des Rose Mansion bestens dokumentiert«, warf Shane ein. »In den letzten zehn Jahren ist das Interesse an der Vergangenheit neu aufgeflammt. Ich meine auch, einige der Tsang-Nachkommen hätten bei der Restaurierung geholfen.«
»Für Touristen ist es jedenfalls hochinteressant«, sagte Martine.
»Hmm, das bin ich ja wohl auch – eine Touristin«, meinte Julie bedrückt. »Ich wünschte, ich wüsste mehr.«
Martine tätschelte ihren Arm. »Du bist auf der Suche und entdeckst ständig Neues. Irgendwann wird sich alles zusammenfügen.«
Julie sah sie an. »Wahrscheinlich hast du recht. Aber ich möchte noch so viel herausfinden. Und mein Urlaub ist fast zu Ende. Ich muss zurück nach Australien, zurück an die Arbeit … meiner Familie helfen, ihr Haus zu retten …« All diese Dinge schienen Welten entfernt. Hier in Malaysia erforschte Julie ein Kapitel der Familiengeschichte, von dem sie bis vor kurzem nicht das Geringste geahnt hatte. »Ich werde mir dieses Haus ansehen. Vielleicht wird mir dort klarer, warum es zwischen Margaret und Bette zum Bruch gekommen ist.«
»Gut möglich«, ermunterte sie Martine.
»Selbst wenn ich in Penang keine Antworten finde, ist es bestimmt schön zu sehen, wie und wo Großtante Bette gelebt hat«, entschied Julie und lehnte sich in den weichen Ledersitz des Jaguar zurück.
Sie musste eingedöst sein, denn als sie die Augen wieder aufschlug, fuhren sie im hellen Sonnenlicht zwischen den Palmenreihen von Utopia hindurch. Eine kleine Dampfeisenbahn schnaufte vorbei, beladen mit Metallbehältern, in denen sich die frisch geernteten Palmölfrüchte mit den rötlichen stacheligen Beeren türmten.
»So werden sie direkt vom Feld in die Öfen transportiert, ohne dass man sie noch einmal anfassen oder in Lastwagen umladen muss. Das schont die Früchte«, erklärte Shane stolz.
»Das Öl ist von weit besserer Qualität, wenn es von ganz frisch geernteten Früchten stammt«, ergänzte Peter. »Und nichts wird verschwendet.
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