Das Leuchten der Orchideen: Roman (German Edition)
Umgebung in Behälter gefüllt und etikettiert wurde, gingen sie hinüber in die Gärtnerei, wo Tausende verschiedener Palmensamen miteinander gekreuzt wurden. Im Treibhaus musterte Julie dann die Gestelle mit den unzähligen keimenden Samen. Unwillkürlich war sie beeindruckt von dem innovativen Zuchtprogramm für zwergwüchsige Öl- und Kokosnusspalmen, die die Ernte erleichtern, aber gleichzeitig hochwertige Früchte liefern sollten.
»Was für ein Riesenunternehmen, kaum zu fassen! Ich hatte immer gedacht, auf einer Plantage stehen ein paar Baumreihen, und das war’s«, staunte Julie.
»So ungefähr war es auch zu Zeiten unseres Urgroßvaters«, nickte Peter. »Er wäre bestimmt überrascht, wenn er sehen könnte, wie wir uns inzwischen vergrößert haben.«
Als sie zum Mittagessen ins Herrenhaus zurückfuhren, war Julie hin- und hergerissen. Einerseits verstand sie jetzt, warum Utopia als eine der führenden Plantagen Südostasiens galt. Die Qualität der Produkte spielte dabei ebenso eine Rolle wie die Bemühungen um eine ökologisch nachhaltige Produktionsweise, und das Verhältnis zu den Einheimischen war offenbar sehr harmonisch. Dennoch ging die Entwicklung auch hier auf Kosten der Landschaft und der Wildtiere. Aber insgesamt gesehen, hatte Shane wohl recht – besser eine nachhaltige Entwicklung als ein totaler Raubbau an der Natur ohne Ausgleichsflächen.
Das Mittagessen war richtig stilvoll. Im Esszimmer des Herrenhauses war der Tisch mit Spitzendecke, Silber und Kristallgläsern gedeckt; der Blumenschmuck trug unübersehbar Martines Handschrift. Der Koch bewies sein Können mit einem exquisiten Mahl, bestehend aus Frühlingsrollen und einem leichten, aber würzigen Malay-Curry. Frisches Obst aus dem plantageneigenen Garten rundete das Menü ab.
Shane stand auf und erhob das Glas. »Ich möchte einen Toast auf unsere Cousine ausbringen, die für allzu kurze Zeit unser Ehrengast war. Danke, dass du gekommen bist, Julie, und unsere Familie wieder zusammengeführt hast. Ich hoffe, wir sehen dich bald wieder, und bring das nächste Mal deine Mutter mit ins Land ihrer Geburt. Vielleicht sind dann gerade Schulferien, es wäre nämlich schön, wenn du auch unsere Kinder kennenlernen könntest. Ich hoffe, dass du in Penang noch mehr über unsere Großtante Bette herausfindest und danach heil und sicher zurück nach Australien kommst. Gute Reise, Julie.«
Julie war selbst erstaunt über die Gefühle, die sie überwältigten, als sie den Elliotts für ihre Gastfreundschaft und ihre wunderbare Gesellschaft dankte. Gern käme sie eines Tages wieder, versicherte sie ihnen, nichts lieber als das.
Am Nachmittag fuhr der Chauffeur mit dem Wagen vor ihrem Bungalow vor. Zum Abschied umarmte sie Siti, die Haushälterin, und dankte ihr dafür, dass sie ihr den Aufenthalt so angenehm gestaltet hatte. Und sie bat den Fahrer, von ihnen beiden ein Foto vor dem Bungalow zu machen. Kaum war sie eingestiegen, tauchte der Gärtner auf, der mit breitem Grinsen salutierte, und als der Wagen auf die Straße bog, winkten ihr zwei Mädchen, die im Herrenhaus arbeiteten, zum Abschied hinterher.
Am frühen Abend kam Julie in Penang an und machte es sich erst einmal im Hotel bequem. Freudig überrascht fand sie dort bereits eine Nachricht von Christopher vor.
»Melde dich, wenn du angekommen bist. Darf ich dich heute zum Abendessen einladen?«
Er führte sie in ein Viertel, das Little India hieß: farbenfrohe, laute, pulsierende Gassen, in denen es aus verschiedenen Lokalen wunderbar duftete; daneben Tempel, Juweliere und basarähnliche Geschäfte, die alles Erdenkliche von leuchtend bunten Saris bis zu Gewürzen, Messingzierat und antiken erotischen Statuetten führten. In Kohlenpfannen und Lehmbacköfen, den sogenannten Tandurs, brutzelte es vielversprechend, die Abendluft war rauchgeschwängert, und in den Straßenlokalen wie auch in den langen, von Neonlicht erhellten und klimatisierten Restaurants drängten sich Familien, die die Vielfalt indischer Gerichte von gut gewürzten vegetarischen oder delikaten goanischen Currys bis hin zu scharfen Rindfleisch-Rendangs und gebratenen Chilis genossen.
In der Ecke eines kleinen Restaurants saßen sie dann an einem Kunststofftisch vor Plastiktellern und Blechbesteck und tranken kaltes Bier aus angeschlagenen Gläsern. Neben ihnen aß eine Familie mit den Fingern ihr Essen aus den vor ihnen ausgebreiteten Bananenblättern.
»So gut habe ich selten gegessen«, sagte Julie
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