Das Leuchten der Orchideen: Roman (German Edition)
noch da? Das ist wunderbar, er muss ja uralt sein«, rief Bette. »Und Ah Kit? So hieß doch euer Hausdiener?«
»Er arbeitet nicht mehr für mich«, erwiderte Roland.
»Ich schaue mal nach Caroline«, sagte Margaret.
»Ich möchte sie auch gleich sehen«, verkündete Bette, während sie Philip die Treppe hinauffolgte.
»Sie ist das reinste Energiebündel. Ein kleiner Wildfang. Mutter hat dieses Zimmer für dich vorgesehen, hier hat man einen schönen Blick.« Philip stellte die Tasche ab.
»Ich freue mich, dass du so … gut aussiehst.«
»Du hast dich auch verändert. Ich finde, du bist sehr hübsch«, sagte Philip schüchtern. Nach einem verlegenen Schweigen fügte er hinzu: »Danke für die Briefe, die Bücher und die Bilder.«
»Schön, dass sie dir gefallen haben.«
»Ja. Ich hab dir ja auch geschrieben.«
»Danke. Über deine Briefe hab ich mich sehr gefreut. Ich möchte noch mehr zeichnen, solange ich hier bin.« Als sie wieder hinausgingen, fragte Bette: »Freust du dich schon aufs Internat?«
»Ja, und wie! Alle meine Freunde sind schon seit Jahren dort. Ich kann es gar nicht erwarten, Kricket und Rugby mit ihnen zu spielen. Nächstes Halbjahr geht es los.«
Bette hatte erwartet, dass Philip ungern so weit weg von zu Hause zur Schule gehen würde, aber offensichtlich brannte er förmlich darauf. »Und was treibst du hier so, wenn du nicht gerade lernst?«
»Auf der Plantage mitarbeiten. Ich sehe gern beim Kautschukzapfen zu, aber am meisten Spaß macht es, mit dem Latex herumzumachen, wenn er trocknet. Die Sheets erinnern an Gespenster.« Er grinste. »Und wir haben ein schnelles Boot unten am Fluss, mit dem ich fahren kann.«
»Da musst du mich mal mitnehmen«, sagte Bette.
In diesem Moment tauchte Margaret im Flur auf. »Er darf aber nicht allein mit dem Boot rausfahren.«
»Gibt es eigentlich den Pagar noch? Da könnten wir doch ein Picknick machen und schwimmen«, schlug Bette vor.
»Vater sagt, da ist es vielleicht zu gefährlich«, erwiderte Philip.
»Wirklich?«, fragte Bette. »Warum?«
»Die Kommunisten«, sagte Margaret.
»Die Guerillakämpfer im Dschungel«, ergänzte Philip.
»Auf Utopia sind wir vermutlich in Sicherheit. Aber Roland meint trotzdem, wir dürften ohne Begleitschutz nirgends hingehen. Und damit bist eindeutig auch du gemeint, junger Mann. Jetzt geh bitte und sag Ho, er soll den Tee draußen auf der Veranda servieren, und Ah Min soll Caroline rausbringen, wenn sie aufwacht.«
»Tee klingt sehr gut. Wie schön, dass die alten Dienstboten noch da sind – Ho, Ah Min, Philips Amah, Hamid. Was ist eigentlich mit Ah Kit passiert?«
»Roland sagt, er hat im Krieg auf Seiten der Kommunisten gekämpft. Kaum zu glauben, wo er doch hier auf Utopia gelebt hat und wir so viel für ihn getan haben«, schimpfte Margaret. »Undank ist der Welten Lohn!«
In diesem Augenblick kam quer über die Veranda eine kleine blonde Rakete angeschossen und bremste neben Margaret. Das kleine Mädchen steckte einen Finger in den Mund und sah Bette an.
»Caroline, das ist deine Tante Bette. Was machst du denn da? Nimm den Finger aus dem Mund. Und jetzt mach einen Knicks.« Caroline beugte ein Knie und knickste hastig.
»Du sollst die Rockzipfel festhalten«, wies Margaret sie zurecht.
»Ach, ist schon gut, das hast du sehr schön gemacht«, sagte Bette. »Du bist aber ein kluges Kind.«
»Ja, sie sieht aus, als könnte sie kein Wässerchen trüben, aber sie hat’s faustdick hinter den Ohren. Man darf sie nicht aus den Augen lassen.« Margaret strich dem Kind über die blonden Locken. »Ah Min ist den lieben langen Tag damit beschäftigt, hinter ihr herzurennen. Philip gibt sich nicht so gern mit ihr ab.«
»Zehn Jahre sind ein großer Altersunterschied, aber sie werden sich schon näherkommen, wenn sie älter sind«, meinte Bette.
»Wenn Jungs erst mal aufs Internat gehen, sind sie danach nicht mehr dieselben«, sagte Margaret.
»Sie müssen eben erwachsen werden, Margaret. Und Philip liebt die Plantage ja offensichtlich. Bestimmt kommt er zurück, um in Rolands Fußstapfen zu treten.«
»Ich weiß nicht, wie lange man mit Gummi noch Geld verdienen kann. Die Zeiten ändern sich. Auf manchen Plantagen versuchen sie es mit anderen Pflanzen. Roland hat vor dem Krieg mit Palmöl experimentiert. Aber die Arbeiter sind nicht mehr so arbeitswillig wie zu Eugenes Zeiten. Ständig wird irgendwo gestreikt. Ich habe gehört, dass sie teilweise horrende Lohnforderungen stellen. Die Plantagen
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