Das Leuchten der Orchideen: Roman (German Edition)
bestehe ich darauf, Dir ein Flugticket zu besorgen. Du wirst feststellen, dass das Land gerade eine schwere Zeit durchmacht und das Leben auf Utopia nicht mehr so ist wie früher. Die sorglosen Tage sind vorbei, und was noch alles auf uns zukommt, steht in den Sternen. Doch ungeachtet all dieser Probleme würden wir uns auf jeden Fall sehr glücklich schätzen, Dich hier zu haben. Für Deine Schwester wäre es eine höchst willkommene Abwechslung, und ich brauche Dir wohl nicht zu sagen, was Dein Besuch für Philip bedeuten würde. Ich freue mich darauf, Dich wieder auf Utopia willkommen zu heißen.
Herzliche Grüße
Roland
Dieser sanfte Druck von Seiten Rolands verwunderte Bette ein wenig, und sie war sogar etwas besorgt wegen ihrer Schwester. Von den politischen Unruhen in Malaya hatte sie gehört, und auch Margarets und Rolands Briefe berichteten davon. Trotzdem stand Bettes Entschluss bereits fest. Das war eine wunderbare Gelegenheit, nach Malaya zurückzukehren, und sie würde sie ergreifen.
Allerdings hatten ihre Eltern Einwände.
»Du hast doch so viele unglückliche Erinnerungen an dieses Land, und nach dem, was in der Zeitung steht, braut sich dort etwas zusammen«, gab ihr Vater zu bedenken.
»Natürlich wäre es schön für dich, die kleine Caroline zu sehen«, meinte ihre Mutter. »Und ich vermute, Margaret fühlt sich ein bisschen einsam, weil sie doch nicht mehr so viel unter die Leute kommt wie vor dem Krieg.«
»Ein gesellschaftliches Leben wird es schon noch geben.« Vor Bettes innerem Auge zogen wunderbare Erinnerungen an ihren ersten Besuch bei den Elliotts vorbei. »Aber ich vermute, Roland hat für Festlichkeiten und Jagden wenig Zeit, wo er doch so hart am Wiederaufbau der Plantage arbeitet. Und anscheinend möchte er nicht, dass Margaret allein ausgeht. Aber ich bin ja völlig unabhängig. Ich muss nur nach Sydney zurück und meinen Job kündigen. Wenn ich wiederkomme, kann ich mich ja nach etwas Neuem umsehen.«
»Du tust ja sowieso, was du möchtest«, bemerkte ihr Vater. »Ich hoffe nur, dass dich Malaya nicht noch einmal enttäuscht.«
Bette packte ihre Malutensilien ein, ein Lieblingsbuch und für Margaret Fotografien von ihren Eltern und ihrem Garten. Außerdem gab sie sich viel Mühe, schöne Geschenke für Philip und Caroline auszuwählen.
Sie staunte, wie schnell man mit dem Flugzeug von Sydney nach Singapur und von dort aus weiter nach Kuala Lumpur kam – kein Vergleich mit ihrer Seereise vor zehn Jahren. Fliegen sei die Zukunft, erklärte ihr Sitznachbar. Lange Seereisen seien höchstens noch etwas für die Jungen und die Älteren, die eine Menge Zeit hätten.
In Kuala Lumpur holte ihre Schwester sie vom Flughafen ab.
»Margaret, ich fasse es nicht, dass es schon mehr als drei Jahre her ist. Du siehst großartig aus. Mutter zu sein bekommt dir offenbar gut.«
»Das Kompliment kann ich nur zurückgeben. Dir tut es offenbar gut, keine Verantwortung tragen zu müssen.«
Dass Caroline und Philip nicht mitgekommen waren, fand Bette schade, aber sie war gerührt, weil Margaret ein paar Tage mit ihrer Schwester allein in Kuala Lumpur verbringen wollte.
Außerdem freute sie sich, Hamid wiederzusehen.
»Geht es Ihnen und Ihrer Familie gut, Hamid?«, fragte sie, als sie ihm die Hand schüttelte.
Der Fahrer nickte mit Tränen in den Augen, offensichtlich freute er sich ebenso wie sie. Doch sogleich verwandelte er sich wieder in den stets lächelnden, ehrerbietigen Chauffeur. Dass sie ihm jetzt unter so normalen Umständen wiederbegegnete, ließ die wilde, alptraumartige Fahrt nach Singapur vor all den Jahren fast wie einen seltsamen Traum erscheinen.
»Wie schön, Sie wiederzusehen, Mem. Sie werden feststellen, dass sich viel verändert hat. Der Tuan Kecil ist jetzt ein großer Junge. Er lernt sehr viel auf Utopia.«
Margaret rümpfte über diese Bemerkung die Nase. »Der ›kleine Herr‹ läuft seinem Vater überallhin nach und spielt sich gegenüber den Arbeitern auf. Außerdem liegt er Roland ständig in den Ohren, dass er ihn mitfliegen lässt. Wir haben nämlich jetzt ein Flugzeug, eine Taylorcraft Auster. Roland benutzt es, sooft es geht, weil er meint, die Straßen seien teilweise nicht sicher.«
»Er ist ja schon zwölf, da wollt ihr ihn wohl bald aufs Internat schicken?«, fragte Bette.
»Noch bevor Philip auf die Welt gekommen ist, hat Roland ihn in seiner alten Schule in England angemeldet. Mir wäre es lieber, wenn er in Australien aufs Internat ginge, das
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