Das Leuchten der Orchideen: Roman (German Edition)
kennengelernt hatte, konnte ich nach Sarawak zurückkehren und dort einige Zeit bei den Iban im Dschungel verbringen.
Als ich in Kuching eintraf, hatte man Tom allerdings auf eine schwarze Liste gesetzt. Ihm war die Einreise nach Sarawak künftig verboten. Offenbar hatte eine eifersüchtige Kollegin seine Arbeit diffamiert. Ich glaubte ihren Anschuldigungen nicht, aber mit seiner unbeherrschten Art hatte Tom wohl etliche Leuten vor den Kopf gestoßen.
Daher fuhr ich ohne ihn mit Leonard oder Bidui, so sein Iban-Name, flussaufwärts und verbrachte bei seiner Familie im Langhaus glückliche Stunden. Außerdem konnte ich so die Orang-Utans beobachten, und mir wurde klar, wie gefährlich die Zerstörung ihres Lebensraums für ihren Fortbestand war.«
»Daher das Buch und die Broschüre, die du verfasst hast«, sagte Caroline.
Bette lächelte. »Inzwischen gibt es eine ganze Menge Leute, die versuchen, ein Bewusstsein für ihre prekäre Lage zu schaffen.«
Während sich Bette und Julie weiter über die Iban und die Orang-Utans unterhielten, schien Caroline ihren eigenen Gedanken nachzuhängen. »Bette«, sagte sie schließlich. »Ich habe viel über das Zerwürfnis zwischen meiner Mutter und dir und auch über dich und dein Leben in Penang und im Kriegsgefangenenlager erfahren. Über wen ich aber weiterhin kaum etwas weiß, ist mein Vater. Warum bin ich bei meiner Mutter in Brisbane aufgewachsen, während mein Bruder zusammen mit ihm in Malaya geblieben ist?«
Bette nahm ihre Hand. »Roland war ein wunderbarer Mann. Tony hat ihn sehr geschätzt. Ich habe ihn dann auch bei der Beerdigung meines Mannes zum letzten Mal gesehen. Kurz darauf ist er an Krebs gestorben. Aber er hat nie ein böses Wort über deine Mutter verloren. Immer wenn ich gefragt habe, wie es meiner Schwester geht, hat Roland nur gesagt, dass sie zurzeit in Australien sei. Ich glaube, dass Margaret sich nach dem Krieg einfach nicht mehr mit dem Leben auf der Plantage anfreunden konnte. Mehr kann ich dazu aber nicht sagen.«
»Und du hast nie wieder mit Philip gesprochen, nachdem du aus Utopia fort bist?«, fragte Julie. »Das finde ich unendlich traurig.«
»Wahrscheinlich hätte ich ihn kontaktieren können, aber ich dachte immer, wenn ich mich fernhielte, würden Philip und meine Schwester ein engeres Verhältnis zueinander bekommen. Nach Margarets Tod hätte ich Philip vielleicht geschrieben, aber er ist vor ihr gestorben. Jetzt bedaure ich das natürlich, aber nun ist es zu spät.«
Als Julie ihre Mutter ansah, merkte sie, dass Caroline noch viele Fragen auf der Zunge lagen, die mit ihrer Kindheit zusammenhingen. Sie wandte sich an ihre Großtante. »Erinnerst du dich denn an niemanden, der Roland und Margaret kannte und vielleicht etwas Licht ins Dunkel bringen könnte?«
Bette überlegte. »Vielleicht gibt es jemanden. Lass mich nachdenken.«
»Ich setze eine frische Kanne Tee auf, ja?«, bot Julie an.
Beim Tee sprachen sie dann über Brisbane und die vielen Veränderungen, die es dort gegeben hatte, seit Bette vor beinahe sechzig Jahren fortgegangen war. Doch Julie sah, wie gespannt ihre Mutter immer wieder Bette anschaute. Und dann leuchteten Bettes Augen plötzlich auf, und sie strahlte.
»Bill! Bill Dickson. Roland hatte einen alten Freund bei der Armee, mit dem er in Malaya gekämpft hat. Tony kannte ihn ebenfalls, glaube ich. Zumindest hat er mir erzählt, dass er ihm ein paarmal begegnet ist. Ich frage mich, ob die Jungs auf Utopia etwas über ihn wissen und ob er überhaupt noch am Leben ist.«
»Er wäre dann jedenfalls sehr alt«, sagte Caroline, und Zweifel lag in ihrer Stimme.
»Großvater hat ihn in seinen Kriegserinnerungen erwähnt«, rief Julie aus. »Ich werde Shane und Peter eine E-Mail schicken und nach ihm fragen.«
»Wir danken dir von Herzen für deine Einladung, Bette«, sagte Caroline, als sie sich erhob.
»Überhaupt keine Ursache«, erwiderte Bette. »Ich kann euch gar nicht sagen, wie glücklich ihr mich gemacht habt. Zu wissen, dass sich meine australische Familie für mich interessiert und wissen will, was geschehen ist, bedeutet mir mehr, als ich ausdrücken kann. Mein neunzigster Geburtstag steht kurz bevor, und ich weiß, dass die Tsangs für diesen Tag große Pläne haben. Hoffentlich könnt ihr es einrichten, dann wieder nach Cairns zu kommen? Ich würde euch schrecklich gern mit meinen anderen Verwandten bekannt machen.«
Caroline und Julie umarmten Bette zum Abschied und versicherten ihr, dass sie
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