Das Leuchten der Orchideen: Roman (German Edition)
Jedenfalls hat er sich ziemlich viel darauf eingebildet.«
»Und wo wohnst du, Peter?«, fragte Julie und überlegte, dass sie zwar die Sachen ihrer Großmutter in Brisbane mochte, Mum das Haus aber auch frisch, lebendig und modern gestaltet hatte. Eugenes Heim wirkte dagegen dunkel und ein bisschen deprimierend, auch wenn man sich die Köpfe der toten Tiere an den Wänden wegdachte. Wobei die Jalousien und Vorhänge bestimmt auch wegen der Hitze geschlossen waren.
»Ich wohne in Großvater Rolands Haus, wo unser Vater zur Welt gekommen ist«, sagte Peter. »Offenbar hat es unsere Großmutter umgestaltet, als sie Großvater geheiratet hat, es ist jedenfalls voller Familienandenken.«
»Aber Großvaters Kriegserinnerungen sind hier, oder?«, fragte Julie.
Peter lächelte. »Wir haben es nicht vergessen.«
Nach ein paar Tagen hatte sich Julie mit dem Gelände von Utopia halbwegs vertraut gemacht und entdeckt, was die Bäckerei neben dem Kramladen an Köstlichkeiten zu bieten hatte. Peter erzählte ihr, ihr Großvater habe beim Besuch eines holländischen Geschäftspartners auf der Plantage einmal geklagt, es gebe hier nirgends gutes Brot. Daraufhin hatte sein Geschäftspartner veranlasst, dass ein holländischer Bäcker aus Amsterdam mit einem Steinbackofen im Gepäck anreiste, um eine Bäckerei aufzubauen. Er verliebte sich in eine schöne Malaiin und in das Leben auf der Plantage und beschloss zu bleiben. Im Lauf der Jahre wurde die Bäckerei immer größer, und man buk neben Brot und Gebäck auch indisches Brot und herzhafte Spezialitäten für die Plantagenbewohner und die Dörfer in der Umgebung. Nun lieferte man auch Brot nach Slim River.
»Wir haben sogar Angebote, Utopia-Brot in Kuala Lumpur zu verkaufen«, sagte Peter. »Aber wir können mit Ach und Krach die Nachfrage vor Ort decken, und eine Großbäckerei wollen wir nicht aufziehen. Aber komm, du musst die besten Curryplunder von Malaysia probieren, und die Kokoscremetorte aus eigenen Kokosnüssen. Kokosnüsse sind nämlich sehr gesund. Überhaupt wird das Kokosöl gern zum Backen verwendet.«
»Gesund? Ich dachte, es verstopft die Arterien«, erwiderte Julie, als sie die blitzsaubere Bäckerei betrat, in der es nach frischem Brot und würzigem Gebäck roch.
»Keineswegs. Wir bauen hier gerade große Kokosnussplantagen auf. Kokosöl hatte eine schlechte Presse, aber dahinter stecken die Sojakonzerne«, erklärte Peter. »Diese Behauptungen sind längst widerlegt.«
Am Wochenende luden Peter und Shane Freunde ein, damit sie beim Mittagessen und Tennisspielen Julie kennenlernten.
»Tennispartys sind Familientradition. Vater hat sie genauso geliebt wie Großvater.«
Julie hatte keine Tennisausrüstung mitgebracht, aber Peter sprach mit Siti, der Haushälterin des Gästehauses, in dem Julie wohnte. Sie führte Julie in ein Zimmer mit lauter Kisten, Koffern und einem übervollen Schrank und riss die Türen auf. »Schauen Sie hier, Mem. Viele Sportsachen.«
»Du meine Güte!«, lachte Julie. Sie nahm einen schweren hölzernen Tennisschläger in die Hand. »Der könnte meiner Großmutter gehört haben! Ah, da ist etwas Modernes. Und eine Menge Schuhe, da finde ich bestimmt ein Paar, das mir passt. Sehen Sie mal da! Alte Badeanzüge, Paddel, Angelruten, ein Krocketspiel!« Sie fand Tennisschuhe und einen brauchbaren Schläger und ging auf ihr Zimmer, um Shorts anzuziehen.
Julie staunte immer wieder aufs Neue. Sie konnte es nicht fassen, dass sie in einem großen Bungalow mit drei Schlafzimmern wohnte, den sie ganz allein für sich hatte. Haus und Einrichtung wirkten recht neu, wahrscheinlich war es für Geschäftspartner und andere Gäste gebaut worden. Es gab nicht nur eine Klimaanlage, sondern auch Ventilatoren an der Decke, die sich unermüdlich in gemächlichem Tempo drehten.
Jeden Morgen machte Siti für Julie Frühstück, das sie auf der verglasten Veranda servierte. Von dort blickte man auf einen eingewachsenen Garten mit Orchideenbeeten und hohen Bäumen, zwischen die eine schon verblichene Hängematte gespannt war. Auf der anderen Seite des Hauses gab es einen großen Küchengarten und eine ziemlich moderne Küche, von der eine Schwingtür ins Esszimmer führte. Hier war offenbar das Reich der Hausangestellten, denn als Julie ihren leeren Frühstücksteller in die Küche trug, reagierte Siti überrascht und ein wenig gekränkt.
»Nein, nein, Mem. Meine Arbeit. Siti macht das.« Und sie scheuchte Julie aus der Küche. Julie wagte nie wieder,
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