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Das Leuchten der purpurnen Berge (German Edition)

Das Leuchten der purpurnen Berge (German Edition)

Titel: Das Leuchten der purpurnen Berge (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manuela Martini
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trat er ganz nah an John heran und stieß
    ihm seinen Zeigefinger vor die Brust: „Wenn Emma etwas passiert sein sollte,
    John Wittling, dann haben Sie allein diese Schuld zu tragen.“ Ohne Johns
    Reaktion abzuwarten, marschierte er mit großen Schritten los. John schluckte
    und spürte Pauls Finger noch, als dieser ihn schon längst weggenommen hatte.
    Schweigend schloss sich
    John der Karawane an. Sein Schritt war schleppend geworden. Paul hatte ihn
    gedemütigt, und Hassan verachtete ihn. Jede Kraft war aus ihm gewichen. Ich
    muss mich wieder unter Kontrolle bekommen, ermahnte er sich. Herr, ich bitte
    dich, schenke mir Geduld und Nachsicht ... und erlöse mich von Hass und
    Missgunst! Und bitte, lass Emma gesund werden! Kurz nachdem sie den schmalen
    Durchgang passiert hatten, entdeckte er den Wagen unten am Hang. Jetzt fühlte
    er doch Erleichterung. In knapp einer Stunde wären sie unten, und Emma bekäme
    endlich Wasser.

12
    Vielleicht besaß man nur
    einen gewissen Vorrat an Angst. Irgendwann war dieser Vorrat aufgebraucht. Und
    dann konnte man keine Angst mehr spüren. Sie existierte einfach nicht mehr.
    Vielleicht begriff man aber auch erst im Angesicht des Todes, was für ein Leben
    man geführt hatte. Das Leben war nicht ein Möbelstück, das man möglichst
    unversehrt über möglichst lange Zeit hinweg erhalten musste. War das Leben
    nicht eher so etwas wie ein Windhauch, der ständig seine Richtung änderte, der
    mal stärker, mal schwächer blies ... und am Ende in den großen Atem der
    Schöpfung einging? Emma beobachtete die zusammengerollte schlafende Schlange.
    Herr, hast du mir dieses Wesen geschickt, damit ich endlich begreife?
    Als das helle Viereck
    auf dem Boden vor ihr allmählich den goldenen Schein des Nachmittagslichts
    annahm und Wind die unter dem Wagen angestaute Hitze wegblies, hatte sie keine
    Angst mehr. Noch nie in ihrem Leben hatte sie sich so ruhig und Gott so nah
    gefühlt. Ihr eigenes Wollen hatte sich aufgelöst. Alles war Gott ... Sie hatte
    ihr Leben ganz in seine Hand gelegt. Zum ersten Mal verstand sie, was es hieß,
    sich anzuvertrauen und sein Schicksal anzunehmen.
    Ein Rascheln lenkte
    ihren Blick zum Wagenrad. Die Schlange hatte ihren Kopf gehoben und züngelte.
    Emma wartete darauf, dass ihre Angst vor einem qualvollen Tod, vor dem Ende
    ihres Lebens zurückkam. Doch die Angst blieb aus. Ja, sie hatte sogar das
    Gefühl, als könne sie mit ihren Gedanken auf die Schlange einwirken. Sie
    empfand die Schlange nicht mehr als Feind, warum sollte die Schlange sie also
    angreifen?
    In deren schmalen Augen
    hatten sich die Pupillen noch weiter verengt, ihr Kopf richtete sich zum
    Wagenrad aus. Wieder raschelte es. Emma bemühte sich, ihre Augen, die so lange
    in das helle Viereck gestarrt hatten, an die Dunkelheit, die unter dem Wagen
    herrschte, zu gewöhnen, um zu erkennen, warum die Schlange sich so plötzlich
    bewegt hatte, doch vor ihr tanzten
    nur Lichtblitze. Auf einmal schoss die Schlange vor – und hielt eine Maus im Maul.
    Während die Schlange die
    Maus zwischen ihre Kiefer presste und das Gift langsam in den Körper der Maus
    pumpte, sodass deren letzte Bewegungen rasch erlahmten, wusste Emma, dass diese
    Maus von Gott geschickt war, um sie, Emma, zu retten. Langsam kroch sie an der
    Schlange vorbei ins Freie. Ihr war, als könne sie nach so vielen Tagen endlich
    wieder atmen. Sicher, noch immer war sie schwach, aber der Schwindel, die
    Übelkeit und der Schleier, der auf all ihrem Empfinden gelegen hatte, waren
    verschwunden. „Danke“, murmelte sie, „danke.“
    Sie ließ ihren Blick über die Ebene
    wandern, die sich so unveränderlich dort unten erstreckte, und über den
    strahlenden blauen Nachmittagshimmel und hinüber zu den Bergspitzen, die schon
    lange Schatten warfen. Gerade als ihr wieder bewusst wurde, dass sie keinen
    Tropfen Wasser mehr hatte und dass sie über ihre weiteren Schritte nachdenken
    müsste, entdeckte sie die dunklen Umrisse, die sich auf dem schmalen Pfad oben
    am Berg bewegten. Das mussten sie sein!
    Alles war also gut gegangen, dachte sie,
    und sie fühlte, wie sie von einem tiefen Vertrauen in Gott erfasst wurde. Von
    jetzt an, wusste sie, war sie eine andere. Nichts könnte sie je wieder in Angst
    versetzen. Da war sie sich ganz sicher.
    „Paul! John!“, rief sie, als die Karawane
    näher gekommen war. „Hassan!“ Jetzt sah sie, dass es Paul war, der den Arm hob
    und zurückwinkte. Sie erkannte ihn an seinem Haar, das die

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