Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Leuchten der purpurnen Berge (German Edition)

Das Leuchten der purpurnen Berge (German Edition)

Titel: Das Leuchten der purpurnen Berge (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manuela Martini
Vom Netzwerk:
rötlich goldene
    Farbe der Abendsonne angenommen hatte. Die Männer und die Kamele warfen lange
    Schatten voraus, es würde nicht mehr lange dauern, bis die Sonne gesunken wäre.
    Jetzt schon stand sie tief über der Ebene und machte die niedrigen Büsche viel
    größer und dichter, als sie in Wirklichkeit waren. Schließlich hörte sie auch
    die Schritte auf dem Sand, die in der Weite nur langsam verklangen.
    Hassans Hund war als Erster bei ihr
    unten. Fröhlich kläffend sprang er um sie herum und wedelte mit dem Schwanz.
    „Paul!“, rief sie wieder. Am liebsten wäre sie zu ihm gelaufen, aber sie war
    viel zu schwach. Doch was war mit ihm? Mit einem überraschten und gleichzeitig
    misstrauischen Blick musterte er sie, runzelte die Stirn und sagte: „Geht es
    dir besser?“ „Ja! Ja!“, antwortete sie. Sie erwartete, dass er sie in die Arme
    schloss. Natürlich konnte er das nicht so schnell begreifen, er wusste ja
    nicht, was alles geschehen war, wie sie sich verändert hatte, seitdem er
    weggegangen war. Doch er näherte sich ihr nur zögerlich. Dann sah er zu John.
    Emma folgte seinem Blick. John wirkte bedrückt und sah weg. Pauls Blick kehrte
    zu ihr zurück. Er war ... kalt und fremd. Irritiert ließ sie die Arme sinken.
    „Gut“, sagte Paul ohne Begeisterung und ohne die Spur eines
    Lächelns. „Danken wir Gott.“ Er hielt einen Augenblick inne, drehte sich dann
    zu dem Kamel um, das er führte, und rief: „Hoshta!“ Als es nicht parierte,
    schlug er mit einer Gerte auf dessen Beine. „Hoshta!“ Auch Hassan befahl den
    Kamelen, sich hinzuknien, nur John stand noch unbeweglich da. Jetzt erst sah er
    Emma an. „Es geht mir besser“, sagte sie befangen, denn sie dachte an den Kuss.
    Er schien ihr Lächeln erwidern zu wollen, doch es gelang ihm nicht ganz.
    Irgendetwas hatte ihn verändert, seitdem er losgegangen war. „Kommen Sie“,
    sagte sie zu ihm. „Ich muss Ihnen etwas zeigen.“ Sie drehte sich um, ging um
    den Wagen herum und deutete auf den Boden. Dort, vor dem Wagenrad, lag die
    schwarze Schlange und verdaute ihre Beute, von der nur noch der lange nackte
    Schwanz aus dem Maul heraushing. Hassans Hund kläffte die Schlange an, die nur
    schwerfällig und langsam zurückzuweichen konnte. Doch der Hund ließ ihr keine
    Ruhe, sprang weiter bellend um sie herum.
    John war blass geworden.
    „Ich habe nicht gedacht dass eine zweite ...“ Er brach ab. „Sie hätte sie töten
    können, Emma.“ Emma nahm seine Hände. Halt mich fest, wollte sie sagen, aber
    sie wusste, dass sie das niemals würde sagen dürfen. „Sie hat mich nicht
    getötet“, sagte sie stattdessen. „Ich danke Ihnen, John, für das, was Sie für
    mich getan haben. Ich werde es Ihnen nie vergessen.“ Seine dunklen Augen
    brannten sich in die ihren. „Aber ich habe nichts für Sie getan. Ihr Mann hat
    das Wasser hergebracht. Und die Schlange konnte ich Ihnen auch nicht vom Leib
    halten.“ Er klang niedergeschlagen. „John, Sie sind bei mir geblieben! Sie
    haben meine Hand gehalten. Dafür danke ich Ihnen.“ Er lächelte müde und zog
    seine Hände weg. „Ich habe es gern getan“, sagte er leise. Dann wandte er sich
    schnell ab, griff zum Gewehr, legte an, lud durch und erschoss die Schlange.
    Am nächsten Morgen
    brachen sie kurz nach Sonnenaufgang auf. Der Himmel war klar, und nur der Sand
    auf den Kisten erinnerte noch an den heftigen Sturm. Sie hätten Glück gehabt,
    meinte Hassan. Oft dauerten Sandstürme tagelang. Die sechs Kamele schafften es,
    den schwer beladenen Wagen den Berg hinaufzuziehen. An der schmalen
    Durchgangsstelle blieb das Hinterrad an einem spitzen Steinbrocken hängen und
    wäre um ein Haar gebrochen. Doch Hassan konnte die Tiere noch rechtzeitig zum
    Stehen bringen und den Wagen umlenken. Als sie schließlich den Sattel des
    Gebirges erreichten, hielten sie an. Über der Ebene lag eine weiße
    Nebelschicht.
    „Er wird bald verschwinden“, erklärte Paul, „die Erde ist noch
    zu warm und die Luft zu kalt.“ Trotzdem, als sie in den weißen Nebel
    eintauchten, war es für Emma, als beträten sie eine neue, unbekannte Welt. Als
    sie sich später auf dem Kutschbock umdrehte und die zerklüfteten Bergspitzen
    aus dem Nebel herausragen sah, begriff sie: Dort, auf der anderen Seite des
    Hangs, hatte sie etwas zurückgelassen, eine zu eng gewordene Haut. Sie atmete
    die klare Luft tief ein und spürte, wie sie sie belebte und sie mit all dem
    Leben um sie herum verband. Vor ihr wogten die

Weitere Kostenlose Bücher