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Das Leuchten der purpurnen Berge (German Edition)

Das Leuchten der purpurnen Berge (German Edition)

Titel: Das Leuchten der purpurnen Berge (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manuela Martini
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geworden oder ganz verschwunden, die Gräser waren
    ausgedörrt und grau, Kängurus waren nicht mehr da, und wenn der Wind über die Erde blies,
    trieb er einen dichten Nebel aus Sandkörnchen vor sich her. Auch hier hatte
    sich das Land verändert. Zwar waren die hohen alten Geisterbäume und
    Eukalyptusbäume nicht verdorrt, denn sie holten mit ihren Wurzeln das Wasser
    tief aus der Erde, aber die Büsche waren spärlicher und dürrer geworden, und er
    war sicher, auch hier würde er kaum ein Känguru sehen. Die Männer mussten weit
    laufen, um irgendetwas Essbares zu erlegen.
    Wenn die Missionare
    kämen, würde es anders werden. Er hatte ihre Kisten und Fässer auf den Wagen
    und den Kamelen gesehen. Und es würden immer wieder solche Kisten und Fässer
    mit einer Karawane gebracht werden, das wusste er. Sie würden nicht mehr
    hungern. Sie müssten nicht mehr ohne Essen schlafen. Seine Kinder und die
    anderen Kinder würden groß und stark werden können ... Er machte einen großen
    Schritt über einen scharfen Stein hinweg. Aber um welchen Preis? Noch war der
    alte Preis nicht bezahlt ...
    „Jalyuri!“ Er schreckte auf und blieb stehen. Woher kam die
    Stimme, und wer hatte ihn gerufen? Weit vor ihm erhob sich die schroffe rote Wand
    des Felsens. Er erinnerte sich, einmal, lange vor der Dürre, oben auf den
    zerklüfteten Spitzen ein paar wilde Ziegen gesehen zu haben. Sie mussten
    irgendwann von Farmen weggelaufen sein. Mit seinem Bruder zusammen war er
    hinaufgeklettert, beide mit Speeren in der Hand, beide gute Jäger. Sie hatten
    sich den Ziegen von zwei verschiedenen Seiten genähert, langsam und lautlos.
    Die Ziegen, es waren drei, hatten arglos dort oben gestanden und Gräser
    gezupft. Der Vater seines Vaters hatte in seinem Leben niemals eine Ziege
    gesehen. Auch kein Rind und kein Schaf ...
    „Jalyuri!“ Erschrocken sah er sich um. Seine Gedanken hatten
    ihn abgelenkt. Doch noch immer konnte er niemanden entdecken. War die Stimme
    nicht von dort vorn gekommen, aus der Richtung des hohen Buschs? Er wollte
    schon losgehen, als er einen Luftzug hinter sich spürte und herumfuhr. Er hatte
    erwartet, den Medizinmann dort stehen zu sehen. Aber es war niemand da.
    Verwirrt ging er weiter, dabei blickte er sich immer wieder nach allen Seiten
    um. Noch war es Tag, und er musste sich nicht wirklich fürchten.
    Seine Schritte waren vorsichtiger geworden, seine Augen
    wachsamer. Hinter dem hohen Busch glaubte er einen Schatten bemerkt zu haben.
    Er ging schneller und behielt den Busch im Auge. War es wirklich ein Schatten?
    Ein Zweig knackte hinter ihm. Er drehte sich um. Nichts. Er ging weiter.
    Weiter, spornte er sich an, zu dem Busch. Doch war der Schatten nicht
    verschwunden? Er kniff die Augen zusammen und versuchte, schärfer zu sehen. Nichts war zu
    erkennen. Kein Schatten, keine Bewegung. Nichts. Unschlüssig blieb er stehen.
    Über ihm kreiste ein schwarzer Vogel. Er duckte sich.
    Was bedeutete das alles?
    Welche Geister suchten ihn heim? Er hatte einen weißen Mann getötet, aber er
    war sich nicht sicher, ob dessen Angehörige auch jemanden ausschickten, um den
    Täter zu finden. Einmal hatte er dem alten Missionar eine solche Frage
    gestellt. Daraufhin war dieser ganz ernst geworden, hatte ihm die Hand auf die
    Schulter gelegt und gesagt: „Petrus, du erinnerst dich doch an die Zehn Gebote,
    und eines heißt: Du sollst nicht töten. Nicht wir Menschen richten, sondern
    Gott. Verstehst du das?“ Er hatte genickt. Aber er hatte es nicht verstanden.
    „Und noch etwas hat uns Jesus Christus gelehrt“, hatte der alte Pastor hinzugefügt.
    „Wir dürfen nicht Gleiches mit Gleichem vergelten. Wir müssen lernen, zu
    verzeihen. Verstehst du das?“ Er hatte wieder genickt. Als er es seinem Vater
    erklärte, hatte der ihn ernst angesehen. „Nun, Jalyuri, willst du, dass wir es
    einfach hinnehmen, wenn Feinde unsere Frauen rauben? Willst du es einfach
    hinnehmen, wenn uns feindliche Medizinmänner besingen und töten?“ Jalyuri hatte
    zu Boden geblickt. „Dein Pastor verbietet uns unsere Gesänge. Er verbietet uns
    unsere Feste. Er verbietet uns alles ... nur für ein bisschen Essen und für
    diese Fetzen!“ Dabei hatte er an Jalyuris Hemd gezerrt. Er selbst trug nur
    seinen Grasgürtel, hatte Hemd und Hose, die die Missionare ihm geben wollten,
    mit einer vernichtenden Handbewegung abgelehnt. Kurz darauf war Jalyuri initiiert
    worden. Danach war alles noch viel komplizierter geworden.
    „Jalyuri!

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