Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Leuchten der purpurnen Berge (German Edition)

Das Leuchten der purpurnen Berge (German Edition)

Titel: Das Leuchten der purpurnen Berge (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manuela Martini
Vom Netzwerk:
den Wagen eingeklemmt war.
    Moses hatte schon den
    Stab für den Anlasser in der Hand. „Schnell, schnell, Bob!“, rief er und
    lachte, „sonst musst du hier bleiben, und ich komme nächstes Jahr dein Gerippe
    abholen!“ Es gelang ihm immer wieder, Robert aus seinen düsteren Stimmungen zu
    holen, die ihn oft befielen, wenn er vor sich hin grübelte und feststellen
    musste, dass es keinen Sinn im Dasein gab ... Robert war ihm dankbar dafür.
    „Ich komm’ schon!“, rief er und schwang sich auf den Beifahrersitz. Seit einem
    Monat hatte er Moses das Steuer des Wagens fast ganz überlassen, denn dieser
    liebte das Fahren leidenschaftlich, und inzwischen war er ein wirklich guter
    und umsichtiger Fahrer geworden. Schon kurbelte Moses am Anlasser. Der Wagen
    sprang sofort an, und mit zufriedener Miene stieg Moses auf den Fahrersitz,
    legte den Anlasserstab hinter sich und fuhr an.
    Seit Oodnadatta waren
    sie den Masten der Overland Telegrafenlinie gefolgt, hatten jedoch immer wieder
    Abstecher zu abgelegenen Farmen gemacht und dort die Menschen besucht, die
    Robert von seinen früheren Fahrten her kannte. Viele Fotos und Filmaufnahmen
    hatte er gemacht, und dabei war ihm aufgefallen, wie Einsamkeit, Dürre, der
    Kampf ums tägliche Überleben, Schicksalsschläge – kurz: das Leben -, wie
    das alles seinen Tribut forderte. Die einen magerten ab und wurden verbittert,
    die anderen zynisch und argwöhnisch, wieder andere demütig. Nur ganz wenige
    wurden humorvoll und im Alter plötzlich fröhlich.
    Auch er war heute nicht
    mehr derselbe, der sich voller Tatendrang und Stolz freiwillig für die Armee
    gemeldet hatte. Nie wieder würde er sich für die Interessen anderer einspannen
    lassen. Nie wieder würde er für jemand anderen als für sich selbst kämpfen ...
    Das hatte er sich geschworen, vor sieben Jahren, am Strand von Gallipoli, den
    er als einer von ganz wenigen lebendig verlassen hatte. Sie waren nur
    Schachfiguren in einem Spiel gewesen, mehr nicht. Nein, seine Freiheit
    bedeutete ihm alles, auch wenn sie es mit sich brachte, dass er sich manchmal
    einsam fühlte. Er dachte wieder an die Missionarin aus dem Zug. Ihm war, als
    hätte er sie damals fotografiert.
    Der Wagen kämpfte sich
    über die steinige und von Dorngrasbüschen bewachsene Erde. Über ihnen wölbte
    sich der Himmel in strahlendem Azur, und vor ihnen erhoben sich die purpurnen
    MacDonnell Ranges. Seit Tagen schon waren sie am Horizont zu sehen gewesen,
    zuerst nur als rötlich schimmernder Rand am Ende der Welt, dann ragten sie
    immer höher in den Himmel hinauf. Robert hatte sich schon öfter gefragt, warum
    er seit Jahren durch das Land zog und fotografierte, warum es ihn stets wieder
    hinaustrieb, warum er süchtig war nach diesen Bildern, nach diesem Anblick,
    aber er hatte keine Antwort gefunden.
    „In
    Stuart trinken wir Bier, ja?“, fragte Moses mit lauter Stimme, um das
    Motorengeräusch zu übertönen. „Klar.“ Robert nickte. Moses liebte Bier.
    Unterwegs hatten sie keines dabei, aber wenn sie in ein Pub kamen, gab es für
    Moses kein Halten mehr, dann musste Robert Bier für ihn besorgen. Als Aborigine
    war es Moses verboten, Alkohol zu kaufen, genauso wenig wie er Land erwerben
    durfte – wenn er denn überhaupt so viel Geld gehabt hätte. Robert
    schluckte das aufkommende Schuldgefühl hinunter. Er gehörte zur herrschenden
    Rasse, die diesen Kontinent einfach an sich gerissen hatte, und wenn er konsequent wäre, dann hätte er
    dieses Land verlassen, aber wohin hätte er gehen sollen? Und wollte er dieses
    wunderbare Land denen überlassen, die es ausbeuteten? Den Viehzüchtern, deren
    Herden mit abertausenden Rindern über das Land herfielen und die empfindliche
    Vegetation zertrampelten, mit den Millionen von Schafen, die jede Graswurzeln
    ausrissen, die Wasserlöcher verschmutzten? Den Farmern, die das Land rodeten,
    uralte Bäume fällten, bis ihr Haus in einer Wüste stand, über die die
    Sandstürme hinwegfegten? Er hatte alte Fotos gesehen. Vor vierzig Jahren war
    das Land noch viel, viel dichter bewaldet gewesen. Wie würde es nach weiteren
    vierzig Jahren aussehen? Oder nach hundert?
    Plötzlich trat Moses auf die Bremse, und Robert klammerte sich
    blitzschnell am Türrahmen fest. „He! Was ist?“ Moses’ Blick waren auf die Erde
    vor ihnen geheftet. Robert konnte nichts Besonderes erkennen. Reifenspuren und
    Hufabdrücke, sonst nichts. „Da!“ Bei laufendem Motor sprang Moses hinaus,
    bückte sich und

Weitere Kostenlose Bücher