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Das Leuchten der purpurnen Berge (German Edition)

Das Leuchten der purpurnen Berge (German Edition)

Titel: Das Leuchten der purpurnen Berge (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manuela Martini
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betrachtete die Spuren. „Zwei schwere Wagen, einer von Kamelen
    gezogen, der andere von Rindern. Die Pferde sind angebunden.“ Er ging ein paar
    Meter weiter und bückte sich wieder. „Einer geht neben den Kamelen her. Ein
    Kameltreiber.“ Robert Gordon wusste nicht, was daran so besonders sein sollte.
    Auf dieser Strecke zogen viele Tiere und auch Kamelkarawanen entlang. „Die
    Missionare.“ Moses kam zum Wagen zurück, seine Miene hatte sich verdüstert.
    Robert horchte auf. „Wie kannst du das erkennen?“
    Diese Frage hatte Robert
    schon oft gestellt. Immer wieder, wenn sie auf Spuren trafen, kam es vor, dass
    Moses genau sagen konnte, wie viele Personen, wie viele Weiße, wie viele
    Aborigines, wie viele Männer und Frauen und Kinder und Tiere dort vorbeigegangen
    waren, wie alt die Kinder waren, wie schwer die Lasten. Ja, hin und wieder
    nannte er sogar die Namen des Menschen, dessen Fußspur er erkannte.
    Nachdenklich schob Moses sich wieder hinter das Steuer, löste die Bremse und
    fuhr weiter. „Bob?“ „Ja?“ Auf Moses’ hoher, glatter Stirn hatten sich Falten
    gebildet. Sein sonst so heiterer Ausdruck war verschwunden. Doch er sprach
    nicht weiter, sondern sah wieder nach vorn, lenkte und wich Steinen, Rinnen und
    Büschen aus. „Was ist, Moses, schieß los!“ Aber Moses schüttelte den Kopf und
    sagte nichts mehr. Robert hatte sich daran gewöhnt. Moses fing manchmal eine
    Frage an und sprach dann nicht weiter, als sei ihm plötzlich klar geworden,
    dass Robert den Sinn sowieso nicht verstehen könnte. Aber auch ohne Erklärung
    wusste Robert, dass Moses sich vor einer Begegnung mit Leuten seines Stammes
    fürchtete. „He, machst du dir Sorgen?“ Moses tat, als habe er nichts gehört,
    sah weiter geradeaus und lenkte den Wagen zwischen den Steinen und Büschen
    hindurch.
    Am späten Nachmittag
    erreichten sie Heavitree Gap, wo sich das trockene Bett des Todd River durch
    eine Schlucht in den MacDonnell Ranges wand. Am Sonntag fuhren die Menschen aus
    Stuart gern zum Picknick dorthin. Robert hatte vor ein paar Jahren Fotos
    gemacht: Damen in weißen Kleidern mit Sonnenhüten und Sonnenschirmen, und
    Kinder in Sonntagsanzügen. Er hatte eine kurze Affäre mit einer Farmerstochter
    gehabt ... Ach, schon nach wenigen Tagen langweilten ihn die Frauen. Sie
    erwarteten zu viel von ihm. Er fühlte sich dann wie eingesperrt. Und außerdem
    wollten sie alle, dass er sesshaft wurde. Sollte er etwa eine Farm kaufen? Das
    wäre das Letzte, was er tun würde.
    „Sie werden mich suchen“, sagte Moses auf einmal. Er starrte
    todernst geradeaus und wäre beinahe auf einen Felsbrocken aufgefahren, wenn
    Robert nicht noch rechtzeitig ins Steuer gegriffen und es herumgerissen hätte.
    „He! Was ist los?“, schrie er Moses an. „An was denkst du, zum Teufel! Du
    hättest um ein Haar das Auto zu Schrott gefahren!“ Moses trat auf die Bremse.
    Sein Blick war abwesend. „Ich kann nicht mehr fahren.“ „Wie, du kannst nicht
    mehr fahren?“ Robert verstand nicht. Moses zuckte die Schultern und starrte
    immer noch ins Leere. „Ich kann es nicht mehr. Ich habe alles verlernt. Wir
    müssen die Plätze tauschen.“ Er stieg aus und ging um den Wagen herum. Robert
    seufzte und rutschte hinter das Steuer.
    Als Moses sich auf den
    Beifahrersitz gesetzt hatte, musterte Robert ihn. Doch Moses sah ihn nicht an,
    und auch auf eine Erklärung wartete Robert vergeblich. Robert legte den Gang
    ein und fuhr weiter. Nur noch wenige Kilometer waren es bis Stuart. Moses würde
    sich schon wieder beruhigen. Aber Roberts Unruhe wuchs.

2
    Liebe Vera,
    Ich habe keine
    Erklärung dafür, dass ich Dir auf meiner langen Reise so selten geschrieben
    habe. Vielleicht waren es die vielen neuen Eindrücke, die mich gar nicht zum
    Nachdenken, geschweige denn zum Berichten haben kommen lassen. Ich hoffe, Du
    bist mir deshalb nicht böse. Vergessen habe ich Dich in all der Zeit nicht, das
    musst Du mir glauben. Vor wenigen Monaten haben wir uns noch zugewinkt, es
    kommt mir vor, als ob ich ein zweites Leben begonnen hätte. Ich weiß gar nicht,
    wo ich anfangen soll zu erzählen. Mittendrin vielleicht? Gestern sind wir nach
    unserem langen Marsch durch die Wüste – mein Gott, Vera, ich habe ein
    paar Tage lange geglaubt, ich müsste sterben, aber genug - in Stuart angekommen, der Stadt, die
    mitten in diesem riesigen leeren Kontinent liegt.
    Tiefrot haben die
    hohen Felsen bei unserer Ankunft geleuchtet, darüber ein dunkelblauer

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