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Das Leuchten der purpurnen Berge (German Edition)

Das Leuchten der purpurnen Berge (German Edition)

Titel: Das Leuchten der purpurnen Berge (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manuela Martini
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Ich hab’ dich
    gesucht!“ Jalyuris Kopf flog nach links. Da stand er, der Medizinmann, fünf
    Schritte vor ihm. Jalyuri wich zurück. Er kniff die Augen zu und öffnete sie
    wieder, doch der Medizinmann stand noch immer da. Um seinen Gürtel und sein
    Stirnband hatte er Federn gesteckt. Er musterte Jalyuri. „Die Sache ist nicht
    ausgestanden, Jalyuri“, sagte er mit seiner krächzenden Stimme. „Welche
    Sache?“, fragte Jalyuri vorsichtig. „Du weißt schon.“ Jalyuri antwortete nicht.
    Ganz klar war ihm nicht, welche Sache der Medizinmann meinte, die Sache mit
    seinem Bruder oder die Sache mit den neuen Missionaren, aber er wagte nicht zu
    fragen. Er würde es schon noch erfahren, dachte er.
    Der Medizinmann sah
    hinauf in den Himmel, wo der schwarze Vogel noch immer kreiste. „Ein starker
    Feind greift uns an, Jalyuri. Die Zeichen sind klar. Erst dein Sohn und dann
    ...“ „Aber Jungala ist doch gesund!“, fiel Jalyuri ihm erschrocken ins Wort.
    „Ja. Aber du hast doch nicht vergessen, wie es ihm ging?“ „Nein, natürlich
    nicht!“, beeilte er sich zu sagen. Er war kein ängstlicher Mann, aber wenn es
    um seinen Sohn ging, dann überfiel ihn die Angst viel, viel schneller und
    heftiger ... „Gut.“ Der Medizinmann nickte zufrieden. „Aber du bekommst einen
    zweiten Sohn.“ Oh, ja, der Medizinmann wusste alles, stellte Jalyuri mit einem
    gewissen Groll fest. „Wird es ein Sohn sein? Oder eine Tochter?“, fragte er
    aufgeregt. „Es wird ein Sohn sein. Er muss beschützt werden, Jalyuri. Ihm darf
    nichts geschehen. Er darf nicht sein, dass er besungen wird, weil wir einen
    Fehler machen.“ Jetzt sah er Jalyuri streng an. „Weil wir die Gesetze nicht
    achten.“ Jalyuri nickte. Er verstand. Nichts durfte jetzt falsch gemacht
    werden. „Und was soll ich tun?“, fragte er, und er ahnte, wie schwer die
    Aufgabe sein würde.
    Der Medizinmann sah
    wieder hinauf in den Himmel. „Wir müssen deinen Bruder finden. Du musst dich
    vor den Missionaren in Acht nehmen, und du musst dafür sorgen, dass sich auch
    die anderen vor ihnen in Acht nehmen.“ „Was meinst du?“ „Sie dürfen uns nicht
    dazu bringen, unsere Gesetze zu brechen.“ Der Medizinmann blickte ihm scharf in
    die Augen. „Es geht um deine Söhne, Jalyuri, und um deinen Stamm.“ Dann drehte
    er sich um und ging davon. Jalyuri sah in den Himmel hinauf. Der Vogel war
    verschwunden.

IV

Die Missionsstation
1
    Robert Gordon packte die
    Fotokamera in den Blechkoffer und stand von dem Baumstamm auf, auf dem er
    gesessen hatte. „Moses!“, rief er dem Aborigine in beigefarbener Hose und
    hellem Hemd zu, der am Auto hantierte. Dass dies eine von Moses’
    Lieblingsbeschäftigungen war, hatte Robert gleich festgestellt, als er ihn vor
    anderthalb Jahren als seinen Wegführer und Assistenten angestellt hatte. Moses
    drehte sich um. Er hatte sein pechschwarzes Haar genauso schneiden lassen wie
    Robert. Kurz an den Seiten und im Nacken, während das längere Deckhaar nach
    hinten gekämmt wurde. Nur über seine Locken klagte Moses, und er war oft damit
    beschäftigt, sie mit Öl glatt zu frisieren. „Wie sieht es aus? Können wir
    weiter?“ Moses nickte. „Sofort!“ Er strahlte. Robert hatte bemerkt, dass er in
    den letzten Tagen immer lebendiger und aufgeregter geworden war. Er hatte auf
    Hügel gedeutet und erklärt: „Das da ist der Känguruberg!“ oder „Hier, der Berg
    heißt Schlafende alte Frau“. Und tatsächlich hatte Robert in den beiden
    aufragenden, oben abgerundeten Hügeln und in der sanften Rundung dahinter den
    riesenhaften liegenden Körper einer Frau erkennen können. „Ihr verdammten
    Blackfellows“, hatte Robert lachend gesagt, „ ihr habt `ne verdammt schmutzige
    Phantasie!“ Und Moses hatte noch mehr gelacht. Er lachte gern.
    Dieses Land hier um
    Stuart, um den Todd River und den Finke River war Moses’ Land, seine Heimat.
    Hier war er aufgewachsen. Robert konnte nur ahnen, wie Moses sich fühlen
    musste. Für einen Weißen hatte die Heimat ja schon einen ganz besonderen
    emotionalen Wert. Selbst den rauesten Männern trat manchmal eine sentimentale
    Träne in die Augen, wenn sie von ihrer Heimat sprachen; das hatte er in diesem
    verdammten Krieg erfahren. Hastig und entschieden verbannte er die Erinnerung
    daran. Er ging zum Auto und verstaute den Blechkoffer in einer stabilen Kiste,
    die hinten auf der mit einer Plane überdachten Ladefläche zwischen anderen
    Kisten mit Proviant und Ersatzteilen für

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