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Das Leuchten der purpurnen Berge (German Edition)

Das Leuchten der purpurnen Berge (German Edition)

Titel: Das Leuchten der purpurnen Berge (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manuela Martini
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getrockneten Aprikose und sah zu, wie Robert dem Mann Wasser
    einflößte. Er wartete, bis der Mann den Becher geleert hatte, richtete sich
    dann auf, trat aus dem Schatten des Varandadachs und blickte in die Ferne. Auf
    dem Rücken seines Hemdes hatten sich dunkle Schweißflecken gebildet. Die
    Gefühle von letzter Nacht regten sich wieder in ihr. Noch konzentrierter
    widmete sie sich der Untersuchung der beiden Eingeborenen. Die Haut der Frau
    wirkte fleckig, ihr Puls war langsam und schwach. Vergiss ihn!, befahl ihre
    innere Stimme, bete! Doch immer wieder kehrte ihr Blick zu seinem langen Rücken
    zurück, seiner schlaksigen Gestalt, die von ihr abgewandt dastand.
    Sie sprach noch einige
    beruhigende Worte zu den beiden Kranken und trat dann neben Robert in die von
    Minute zu Minute heißer brennende Sonne und sah wie er hin zu den glühenden
    Bergen. Die Erde drohte vor Trockenheit zu bersten.
    „Ich weiß nicht, was
    hier geschehen ist“, sagte er auf einmal. „Ich weiß nur: Hier wurden Gesetze
    gebrochen.“ Er kniff die Augen zusammen und sah in die gleißende Weite.
    „Jahrtausendealte Gesetze.“ Die Erinnerung an ihre Ankunft drängte sich ihr
    wieder auf: ihr Gefühl, in eine fremde Welt einzudringen. „Das Kreuz war zerbrochen“,
    sagte sie jetzt, „und jemand hat das Wort Satan an die Wand geschrieben.“ Er wandte sich zu ihr, auf seiner Stirn hatten sich
    zwei tiefe Falten gebildet. „Satan?“ „Ja. Das Wort war mit roter Farbe an
    die Kirchenwand gepinselt.“ Sie sah
    Pauls Entsetzen vor sich. „Satan.“ Er schüttelte langsam den Kopf. „Emma,
    glauben Sie im Ernst, dass einer der Eingeborenen hier das Wort Satan schreiben
    kann?“
    Weiße Hunde schlichen
    mit hängender Zunge um die Hütten. Frauenstimmen keiften in fremden, knackenden
    Lauten. Sie sah zu ihm auf. Er hatte die Hände in die Hosentaschen gesteckt,
    die Hemdsärmel aufgerollt. Warum hatte sie sich selbst noch nie diese Frage
    gestellt? „Und wenn es doch einer schreiben konnte?“ „Warum sollten sie es
    schreiben, Emma?“, fragte er in einem herausfordernden Ton, der sie plötzlich
    ärgerte. „Sie sagten gestern Abend doch selbst, Pastor Weiß war streng und
    unnachgiebig. Die Eingeborenen haben ihn verflucht!“ „Gut. Doch wenn sie ihn
    verflucht haben, dann sicher nicht, indem sie dieses Wort an die Wand gepinselt
    haben!“ Wollte er sich rächen für die letzte Nacht? Spielte er sich zum Anwalt
    der Eingeborenen auf? Wollte er sie, Emma, gegen Paul und die Kirche
    aufbringen? „Verstehen Sie doch“, fuhr er eindringlich fort, „Satan bedeutet
    ihnen nichts! Sie haben ihre eigene Magie!“ Sie wollte ihm glauben, doch
    zugleich durfte sie es nicht „Es könnte aber doch ein Getaufter gewesen sein“,
    wandte sie ein. Er zuckte die Schultern. „Aber ...“ Sie wagte die
    Ungeheuerlichkeit nicht zu Ende zu denken. „Sie meinen ... ein Weißer hat das
    Wort geschrieben?“ Er nickte. „Und zwar einer, der an Gott und an den Teufel
    glaubt.“
    Ihr Blick glitt über die
    Hütten, über das weite Land, hin zu den schroffen Felsen. Keine Wolke stand am
    azurblauen Himmel, kein Wind wehte. Ein uraltes Land mit uralten Gesetzen,
    Gesetzen, die ihr fremd waren ... Emma drehte sich um zu den beiden Kranken
    unter dem Dach. Die Frau kaute noch immer auf dem Stückchen Aprikose, und der
    Mann hielt den Becher mit beiden Händen umklammert. „Die Menschen hier brauchen
    mich.“ Er suchte etwas in ihrem Gesicht. Sie sah weg. „Emma, glauben Sie das
    wirklich?“ Sie antwortete nicht. Hatte er Recht? Hatten die Menschen denn nicht
    auch während der Zeit, als die Missionsstation vakant war, überlebt? „Emma, ich
    sehe, dass Sie unglücklich sind ...“ Er brach ab. „Wer sagt, dass wir glücklich
    sein müssen, Robert?“ Langsam schüttelte er den Kopf. „Das habe ich mich auch
    oft gefragt. Aber ... letzte Nacht, habe ich die Antwort gefunden: Erst wenn
    wir glücklich sind, leben wir wirklich.“
    Die Gefühle der letzten
    Nacht ließen sich nicht mehr niederkämpfen, sie würde sich gleich nicht mehr
    wehren können ... Sie musste dem ein Ende machen ... Es war schon viel zu weit
    gekommen ... „Es ist besser“, sagte sie mit fester Stimme, „wenn wir uns nicht
    mehr sehen, Mister Gordon.“ Einen Moment noch hielten seine Augen sie fest,
    dann war es vorbei. Er zog sich von ihr zurück. „Haben Sie eine gute Fahrt. Und
    denken Sie an die Zitrusfrüchte.“ Sie musste sich abwenden. Er sollte ihre

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