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Das Leuchten der purpurnen Berge (German Edition)

Das Leuchten der purpurnen Berge (German Edition)

Titel: Das Leuchten der purpurnen Berge (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manuela Martini
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die Schule gegangen. Auch er, Jalyuri, war in diese Schule
    gegangen, hatte die fremde Sprache gelernt und die Bibel gelesen, nicht das
    ganze Buch, aber ein paar Sätze. Er seufzte leise.
    „He, Jalyuri!”
    Nooma-Nooma hatte den Speer hochgehoben. Weit vor ihnen, am Fuß der Berge,
    hinter einem rundlichen Felsbrocken, hatte sich etwas bewegt. Jalyuri war so
    sehr mit seinen Gedanken beschäftig gewesen, dass er es gar nicht bemerkt
    hatte. Nooma-Nooma kniff die Augen zusammen und hob den Speer. Seine Armsehnen
    waren zum Zerreißen gespannt. Da, jetzt kam es hinter dem Felsen hervor. Ein
    Euro, ein kleiner Verwandter des Kängurus. Schon surrte Nooma-Noomas Speer
    durch die Luft und traf das Tier mitten in den Leib. Es blieb regungslos stehen,
    als würde es erst langsam begreifen, dass es gerade starb. Dann kippte es nach
    hinten und blieb im Staub liegen. Mit flinken Schritten war Nooma-Nooma bei der
    Beute und zog den Speer heraus. Rot tropfte das Blut in den Sand.
    Plötzlich spürte Jalyuri
    einen Schmerz in seiner Brust. Gerade dort, wo der Speer sich in den Körper des
    Euro gebohrt hatte. „Was ist?“ Nooma-Nooma sah ihn besorgt an. Jalyuri hielt
    die Hand auf die schmerzende Stelle. Was war nur mit ihm los? Sein Totem war
    die schwarze Schlange, nicht das Euro. Es war ihm erlaubt, das Euro zu töten,
    wieso dann diese Schmerzen, als ob er selbst getroffen wäre? Doch anstatt
    Nooma-Noomas Frage zu beantworten, biss er die Zähne zusammen, bückte sich,
    warf sich das tote Tier über die Schulter und sagte: „Du bist ein guter Jäger,
    Nooma-Nooma!“ Und Nooma-Nooma lächelte stolz.
    Auf dem Weg zurück
    sprachen sie nicht miteinander. Das Gewicht des Tiers drückte schwer auf
    Jalyuris Schultern. Er merkte, dass es ihm mehr ausmachte als früher. Ihm
    fehlte die tägliche Übung. Auch deshalb hatte er das Euro nicht gleich gesehen.
    Aber wenn wir nicht mehr üben, dann können wir bald nicht mehr jagen. Ich muss
    Jungala beim nächsten Mal mitnehmen, dachte er, er muss das Jagen üben. So
    gingen sie eine Weile dahin. Er dachte an Mani, die jetzt seinen Sohn bekam. Es
    wird alles gut gehen, dachte er. Wir haben keine Regeln verletzt. Dennoch:
    Warum hatte er diesen Schmerz in der Brust?
    Kaum tauchten die
    braunen Hütten vor ihnen auf, hörte Jalyuri, wie jemand seinen Namen rief. Er
    nahm seine Kräfte zusammen und rannte, das Euro auf seinen Schultern. „Ja!“,
    rief Jalyuri, als er bei den Hütten angekommen war und ließ das tote Tier in
    den Staub fallen. Isi, seine erste Frau, hatte ihre Arme in die Hüften gestemmt
    und sah ihn grimmig an. „Du hast noch einen Sohn bekommen, Jalyuri!“ Er wollte
    jubeln, doch er wusste, dass etwas nicht stimmte. „Was ist?“, fragte er und
    eilte in die Hütte.
    Neben Mani knieten
    Amboora und die Missus, wie er die Missionarin nannte. Amboora legte Blätter
    auf Manis Wangen. Und die Missus hielt sein Kind im Arm. Ein Wesen,
    verschrumpelt wie eine trockene Frucht. „Petrus“, sagte die Missus. Sie sah
    genauso besorgt aus wie seine erste Frau, „Mani geht es schlecht. Das ist dein
    Kind, nimm es.“ Damit reichte sie ihm das winzige Wesen. Wie warm es war. Wie
    rasch das Herz klopfte. Er drückte es ganz sanft an die Narben seiner nackten
    Brust. Dann sah er Mani an. Schweiß stand ihr auf der Stirn, und ihre Augen
    waren groß und voller Angst. „Jalyuri“, flüsterte sie und griff nach seiner
    Hand. Ihre Hand war heiß und nass. „Sie hat Fieber“, sagte die Missus und
    tupfte Mani den Schweiß von der Stirn. Er verstand nicht. Mani hatte doch das
    Kind geboren. Warum war jetzt nicht alles gut? „Petrus, bring das Kind hinaus”,
    sagte die Missus, und er tat, was sie sagte.
    Vor der Hütte wartete
    Isi. Sorgenvoll streckte sie die Arme aus. „Gib mir das Kind.“ „Ist Mani
    krank?“, wollte er fragen, brachte aber kein Wort heraus. Er kannte ohnehin die
    Antwort. Alles hing zusammen. Die Rinder, die weißen Männer, sein Bruder, der
    singende Pastor ... Er beugte sein Gesicht zu seinem Kind und flüsterte: „Du
    sollst Jidi heißen. Jidi, der Regen. Im Regen liegt unsere Hoffnung ... Du bist
    unsere Hoffnung ...“ Mit den winzigen Fäusten rieb Jidi sich die kleine Nase,
    und Jalyuri wusste, Jidi hatte verstanden. Zuversichtlich legte er ihn in die
    Arme seiner ersten Frau. Dann ging er zur Hütte von Wirinun. „Ich habe dich
    erwartet, Jalyuri!“ Der Medizinmann hockte im Eingang der Hütte, den Blick auf
    die Berge gerichtet, und

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