Das Leuchten der purpurnen Berge (German Edition)
und
eine Scheibe Brot auf den Teller. Amboora war schon zu Bett gegangen. Sie war
den ganzen Tag auf den Beinen gewesen, und Emma hatte darauf gedrungen, dass
sie sich ausruhte. Zwei Tote und drei Erkrankte, das war die Bilanz des Tages.
Mühsam würgte sie einen Bissen Hammelfleisch hinunter.
John war in Gedanken
versunken. Ein paarmal hatte sie das Gefühl, er wollte etwas sagen, aber dann
schwieg er doch. Es war still, bis auf das regelmäßige Schlagen der Pendeluhr.
Sie zuckte zusammen, als er das Besteck weglegte. „Emma“, er räusperte sich und
blickte ihr fest in die Augen. „Ich muss etwas mit Ihnen besprechen ... Ich
fürchte ... etwas Unangenehmes...“ Müde hob sie die Schultern und ließ sie wieder
fallen. „Sagen Sie es. Ich denke nicht, dass mich noch etwas erschüttern kann.“
Er nickte ein paarmal, schwieg aber. „Was ist es?“ „Nun ... die Situation ist
nicht gerade einfach ...“ „Das ist wohl niemandem entgangen, John. Worum geht
es?“ „Also gut: Wir können so nicht weitermachen.“ „Was soll das heißen, John?“
Sie verstand nicht. Er sah kurz auf seine Hände, dann in ihre Augen. „Emma, wir
brauchen Hilfe. Paul ist krank. Beten wir, dass er es übersteht ... Emma ...“
Er zögerte. „... Ich glaube, wir sollten ehrlich sein.“ „Und?“ „Ich mache mir
Sorgen um Sie. Mir ist nicht entgangen, wie Paul Sie behandelt ...“ Er wurde
nervöser. „Nun, ich ... Emma, verstehen Sie denn nicht? Ich kann nicht mit
ansehen, wie Sie leiden!“
Was sollte sie erwidern?
Plötzlich fühlte sie sich unendlich erschöpft. Als seien ihr eben erst all die
Anstrengungen der letzten Monate bewusst geworden. Sie nahm den besorgten
Ausdruck in seinen dunklen Augen wahr. Auch er war am Ende seiner Kräfte. Seine
Wangen waren eingefallen, und seine Augenhöhlen schienen noch tiefer und
dunkler geworden zu sein. Natürlich war ihm nicht entgangen, wie Paul sie
behandelte. „Soll ich denn aufgeben, John?“ Er wandte den Blick ab und holte
tief Luft. „Ich könnte Sie nach Stuart bringen.“ „Und dann?“, fragte sie. Sein
Blick wanderte zum Fenster, vor dem die Dunkelheit stand. „Sie könnten nach
Adelaide ... in ein Krankenhaus ... Emma, überlegen Sie es sich. Sie haben vielleicht noch eine Wahl ...
Manche von uns haben keine mehr.“ Er sprach nicht weiter, und sie wollte nicht
weiter fragen. „Nein, John“, sagte sie, „auch ich habe bereits gewählt. Ich
gebe nicht einfach auf.“
Da nahm er auf einmal
ihre Hand, und sie ließ es zu. Vielleicht weil sie zu schwach war, um sich zu
widersetzen, vielleicht weil sie sich danach sehnte ... nach menschlicher Nähe
und Wärme. „Erinnern Sie sich noch an den Marsch durch die Wüste?“, sagte er
leise. „Ja, natürlich“, flüsterte sie, und die Erinnerung, die sie sich
verboten hatte, kehrte zurück. „Da haben wir auch nicht aufgegeben.“ Sie
schüttelte den Kopf. „ Ich sende einen
Engel vor dir her “, sagte er leise, „ damit
er dich auf deinen Wegen behüte und dich an den Ort führe, den ich bestimmt
habe ... Ich bin für Sie da“, sagte er noch und legte ihre Hand wieder
zurück auf den Tisch. Sie wollte etwas sagen, aber sie konnte nicht. Sie fühlte
sich benommen, benommen von seiner Nähe, von den Ereignissen, von ihren Ängsten
und Erinnerungen und Gefühlen, und so nickte sie nur und sagte: „Ich sehe nach
Paul.“
Verwirrt ging sie ins Schlafzimmer,
stellte eine Lampe auf den Nachttisch und setzte sich auf die Bettkante. Paul
schlug die Augen auf. „Wie geht es dir?“, fragte sie, und sie merkte irritiert,
dass ihre Gedanken bei John waren. Er legte seine Hand auf ihre. Sie brauchte
sein Fieber nicht zu messen, sie fühlte, dass es hoch war. „Emma“, flüsterte
er, „ich tue das alles nur für die Kirche.“ „Ich weiß“, sagte sie, obwohl sie
nicht ganz sicher war, was er meinte. „Die Menschen benutzen jede ...“ Das
Sprechen fiel ihm schwer. „Psst. Du darfst dich nicht anstrengen.“ Sie strich
ihm über die heiße Stirn. So würde sie es bei jedem Patienten machen, dachte
sie. Wäre sie bereit, noch einmal von vorn anzufangen, ohne Lügen? „... jede
Gelegenheit“, sprach er weiter, „um Gott lächerlich und unsere Kirche schlecht
zu machen. Das war schon immer so.“ „Ja, ich weiß“, sagte sie, um ihn zu
beruhigen. Ihr ging es jetzt nicht um die Kirche, sondern allein um ihn. Egal,
wie er sie behandelt hatte und was er vor ihr
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