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Das Leuchten der purpurnen Berge (German Edition)

Das Leuchten der purpurnen Berge (German Edition)

Titel: Das Leuchten der purpurnen Berge (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manuela Martini
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setzte sich auf. Er musterte sie skeptisch. „Ist schon wieder vorbei.“
    Sie versuchte aufzustehen, aber es fiel ihr schwerer, als sie erwartet hatte,
    und schließlich war sie dankbar, als er ihr aufhalf. „Bist du sicher, dass du
    nicht krank bist?“ „Ganz sicher!“ Ihr Lächeln kam gequält, merkte sie, aber sie
    konnte nichts dagegen tun. „Wenn du nach
    den paar Tagen schon nicht mehr kannst, was machen wir dann erst in
    Neumünster?“ Er versuchte zu lächeln, als sei das Ganze nicht so schlimm, aber
    es gelang ihm nicht. Emma wusste, dass er es ernst meinte: Sie hielt den Treck
    auf ... und er hatte sich in ihr getäuscht. „Ich bin ja nicht krank, Paul!“ Sie
    sah ihm direkt in die Augen, wollte sich ihre Benommenheit nicht anmerken
    lassen. Energisch klopfte sie den
    Staub von ihrem Kleid. „Entschuldige, es ist alles wieder in Ordnung.“ Sie
    fügte ein Lächeln hinzu. „Wirklich.“ Obwohl er nickte, konnte er die Skepsis in
    seinem Blick nicht verbergen. „Da kommen sie!“ Emma zeigte zur Wasserstelle,
    froh, von ihrem Schwächeanfall ablenken zu können. „Hassan hat zwei Kamele
    aufgetrieben“, rief John von weitem. „Sie sind wohl jemandem davongelaufen!
    Hassan sagt, wir könnten sie mitnehmen!“ Beide führten je ein Kamel an einem
    Seil. „Sie haben Glück gehabt, dass wir sie gefunden haben. Farmer dürfen wilde
    Kamele abschießen!“ Das größere Kamel ließ seinen Blick über sie schweifen. „Es
    soll Kurt heißen“, erklärte Hassan ernst. „Kurt?“ Das erstaunte sogar Paul,
    obwohl er, wie Emma fand, den Kamelen gegenüber bisher recht gleichgültig
    gewesen war. „Kurt. Das andere Esmeralda.“ Damit war für Hassan die
    Angelegenheit erledigt, und er führte die Kamele ins Lager. Wieso, dachte sie,
    sollte er ihren Kamm erst genommen und ihn ihr dann wieder hergegeben haben?
    Sie sollte endgültig aufhören, darüber nachzugrübeln.
    Eine gute Stunde später
    hatte man alles aufgeladen und war zum Aufbruch bereit. Hassan ritt auf Kamel
    Kurt, dem Esmeralda treu ergeben hinterher trottete. Auch wenn man sie nicht
    mit einem Seil an ihren Kameraden gebunden hätte, wäre sie ihm wohl nicht von
    der Seite gewichen. Dann folgte die Gruppe der Lastkamele. Paul und Emma hatten
    wie schon in den vergangenen Tagen ihren Platz auf dem Kutschbock des
    kamelgezogenen Wagens eingenommen,
    während John den mit den Rindern lenkte.
    Emma warf einen Blick
    hinauf in den Himmel. Wenn sie es nicht besser gewusst hätte, würde sie
    behaupten, heute war gestern und gestern heute. Derselbe Himmel, dieselbe
    Landschaft: eine trockene rötlichgelbe Ebene, gepflastert mit schwarzroten
    Steinen, zwischen denen nur wenige silbrige Büsche wuchsen, eine Hügelkette
    irgendwo in unbestimmter Ferne. Das behäbige Trampeln der Rinder, das Schnauben
    der Pferde, das Knirschen des Zaumzeugs, das Ächzen der Wagenräder und das
    Quietschen der Federung waren wieder die einzigen Geräusche in dieser Weite,
    und Emma kam es vor, als ritzten sie sich in die Landschaft, und jeder, der
    ihren Spuren folgte, würde ihre Geräusche hören.
    Irgendwann hielt sie es
    auf der harten Bank des Kutschbocks nicht mehr aus und stieg auf den Rücken
    eines der Pferde um. Doch nach drei Stunden schmerzte auch dieser Platz. Sie
    wusste einfach nicht mehr, wie sie sich setzen, wie sie sich halten sollte.
    Ihre Schenkel waren aufgerieben und wund, ihr Rücken, ihre Schultern, Nacken,
    Arme, Hände – alles war ein einziger Schmerz, und sie wusste, dass noch
    zwei lange Wochen vor ihnen lagen.
    Emma hörte auf, die Tage
    zu zählen. Die Gleichförmigkeit des Landes, der sich immer wiederholende
    Tagesablauf und ihre Erschöpfung, von der sie sich nicht erholte, hatten sie
    ermattet. Paul hatte an zwei Sonntagen die Heilige Messe gefeiert, vor einem
    provisorischen Altar aus ihren Kisten. Ein Rind hatten sie erschießen müssen,
    weil es sich das Bein gebrochen hatte. John und Paul hatten dem Tier das Fell
    abgezogen, sein Fleisch in Stücke geschnitten, gesalzen und so für die Reise
    haltbar gemacht. Obwohl das Fleisch, wenn es lange im Topf schmorte, nicht sehr
    zäh war, brachte Emma kaum etwas davon herunter. Sie fühlte sich krank und
    wollte nichts mehr essen. Ihre Kleider schlotterten um ihre Hüften, und
    manchmal, wenn sie einen Blick in den kleinen Spiegel warf, den vor allem Paul
    und John für ihre Rasur benutzten, dann erschrak sie, denn ihre Wangen waren
    eingefallen, und unter den Augen hingen

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