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Das Leuchten der purpurnen Berge (German Edition)

Das Leuchten der purpurnen Berge (German Edition)

Titel: Das Leuchten der purpurnen Berge (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manuela Martini
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dem Boot
    steigen und wie er, Jesus, über den See wandelt. Und Petrus steigt wirklich aus
    und geht über das Wasser. Aber als ein leichter Windhauch aufkommt, wird Petrus
    von Angst erfüllt – und er geht unter. Und Jesus sagt: Du Kleingläubiger,
    warum hast du gezweifelt?“ John antwortete nicht, er starrte Paul, der ein
    triumphierendes Lächeln aufgesetzt hatte, unbeeindruckt an. Emma hatte den
    Wortwechsel mitbekommen und fühlte sich beklommen. „Wissen Sie, John“, sprach
    Paul weiter und sah wieder zu den Bergen, „Sie vergessen manchmal, dass wir von
    Gott gerufen wurden. Durch seine Kraft werden wir unüberwindbar scheinende
    Hindernisse meistern.“ Er nickte zufrieden, als stimme er sich selbst zu, dann
    fügte er leise hinzu: „Das genau ist Glaube.“
    Emma sah, wie John eine
    Entgegnung hinunterschluckte. Wortlos schüttete er den Rest Tee in den Sand und
    ging zu den Pferden. Paul warf Emma einen triumphierenden Blick zu und ging dann
    auch. Emma räumte das Geschirr zusammen und verstaute es in der Proviantkiste.
    Als John diese auf den Wagen hob, fing sie seinen Blick auf. Doch sie konnte
    ihn nicht deuten. Vielleicht wollte er sich vergewissern, dass sie seine
    Bedenken nicht feige und zögerlich fand. Aber das Einzige, was sie ihm
    mitteilen konnte, war, dass es ihr Leid tat, wie er von Paul behandelt wurde
    ... und dass sie sich für Paul schämte.

5
    Es war schon Abend, als
    sie endlich die Wasserstelle erreichten. Emma ließ sich vom Pferd gleiten,
    einer braunen, nicht mehr jungen Stute, die sich die letzten Kilometer mit
    hängendem Hals gequält hatte. Emmas Kehle war ausgetrocknet, ihr Körper eine
    einzige Wunde, und ihre Stirn fühlte sich glühend heiß an. Ich bin nicht krank,
    hämmerte sie sich ein, reiß dich zusammen! Wie üblich füllten Paul und John die
    acht Wasserkanister auf, während Hassan mit dem Abladen der Kamele begann.
    Hassan schienen die Anstrengungen nicht das Geringste anzuhaben. Nie standen
    Schweißperlen auf seiner Stirn; schweigsam und unbeirrt führte er Tag für Tag
    den Treck durch die Wüste.
    Emma sagte, sie würde
    Feuerholz sammeln, und ging los. Obwohl sie in den letzten Tagen oft den
    Eindruck hatte, dass sie sich kaum von der Stelle bewegten, musste sie nun doch
    feststellen, dass die Hügelkette viel näher gerückt war. Schon konnte sie die
    Umrisse viel besser erkennen: schroffe Felsen, uralte Gebilde, die Wind, Regen,
    Trockenheit und Sonne über Jahrmillionen brüchig gemacht hatten. Die Erde unter
    ihren Füßen war von einem tieferen Rot als noch vor ein paar Tagen. Und es war
    noch viel stiller geworden, stellte Emma fest, als sie sich weiter von der
    Wasserstelle entfernte und das Schlürfen und Schnauben der Tiere nicht mehr zu
    ihr drang. Das Einzige, was sie noch vernahm, war ihr eigenes Atmen. Sie bückte
    sich nach trockenen Ästen und legte sie in ihren Arm. Beim Bücken und Aufstehen
    wurde ihr immer wieder schwarz vor Augen, und sie musste eine Weile stehen
    bleiben und tief durchatmen. Ab und zu fuhr sie sich mit dem Handrücken über
    die Stirn, die sich noch immer trocken und glühend heiß anfühlte. Es ist allein
    die Anstrengung, sagte sie sich, allein die Anstrengung. Ich bin nicht krank.
    Die Vegetation wuchs so
    spärlich, dass es kaum dickere Äste gab. Doch Emma entdeckte eine umgestürzte
    verwitterte Wurzel, deren fingerartige Verzweigungen in den Himmel ragten, und
    sie hoffte, dass die Wurzel nicht zu schwer zum Mitschleifen wäre. Sie zog
    daran und wollte sich schon wundern, wie leicht es ging, als sie jäh
    zusammenfuhr. Sie ließ den Ast los, schlug die Hände vor den Mund und erstickte
    einen Aufschrei. Vor ihr, nun kaum noch von der alten Wurzel verdeckt, lagen
    Skelette mit zerrissenen Kleiderresten. Trotz des grausigen Anblicks musste
    Emma lange hinsehen. Über den Schädelknochen klebten nur noch wenige trockene
    Hautreste. Und plötzlich war ihr, als ob sie und Paul und John dort lägen,
    verirrt, verhungert, verdurstet, vergessen ... Dann dachte sie an die
    Zeichnungen aus dem Buch, das sie auf dem Schiff gelesen hatte. Leichhardt, der
    mit seinen Leuten im Busch verschollen war ...
    Sie riss sich von dem
    Anblick los und rannte so schnell sie konnte zur Wasserstelle zurück. Ihre
    Kehle brannte vor Trockenheit, ihre Beine wollten sie nicht mehr tragen, ihre
    Knie drohten einzuknicken, sie konnte kaum noch ihre Füße heben, sie stolperte
    über Steine und musste gegen ihren Schwindel ankämpfen,

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