Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Leuchten der purpurnen Berge (German Edition)

Das Leuchten der purpurnen Berge (German Edition)

Titel: Das Leuchten der purpurnen Berge (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manuela Martini
Vom Netzwerk:
bis sie endlich im
    Lager ankam. Paul, der gerade zusammen mit Hassan einem Kamel die Vorderfüße
    zusammenband, sah erstaunt auf. Atemlos stieß sie hervor, was sie gefunden
    hatte, und Paul und John liefen los. Emma ließ sich erschöpft zu Boden sinken.
    Hassans Hund kam auf sie zu, sah sie an und ließ sich neben ihren Füßen nieder,
    als wollte er ihr beistehen, und tatsächlich fühlte sie sich ein bisschen weniger
    verlassen. Hassan selbst fuhr fort, die Vorderbeine der Kamele zusammenzubinden
    und blickte kein einziges Mal auf, bis John und Paul wieder zurück waren. „Was
    ist ihnen zugestoßen?“, fragte sie. Paul stemmte die Arme in die Hüften und
    ließ seinen Blick über das in der Dämmerung allmählich verblassende Land
    schweifen, als stünden Ursache und Umstände dieser Tragödie dort irgendwo
    geschrieben. „Paul?“, wiederholte sie, worauf sein Blick zu ihr zurückkehrte.
    „Was ist mit ihnen passiert?“ „Vielleicht haben sie sich verirrt“, antwortete
    John an Pauls Stelle. „Wer weiß, wie lange sie schon so da liegen.“ „Wir werden
    sie begraben“, sagte Paul und holte zwei Schaufeln vom großen Wagen, die dort
    griffbereit an der Seite befestigt waren.
    Bisher hatten sie sie
    unterwegs zweimal gebraucht, um eingesunkene Räder freizuschaufeln, aber noch
    nie, um ein Grab auszuheben. Hassan machte keine Anstalten, mitzugehen. Er
    kümmerte sich weiterhin um den Huf von Esmeralda. Sie war in einen Dorn oder
    vielleicht auch einen Nagel getreten. Der Fremdkörper war zwar nicht mehr im
    Fuß, aber der weiche Ballen war entzündet. Hassan machte einen besorgten
    Eindruck. Die Toten schienen ihn kaum zu interessieren. Konzentriert rührte er
    in einem Blechnapf eine scharf riechende Paste aus Teer an. Diesmal ging Emma
    mit den beiden Männern mit. Hassans Hund folgte, machte jedoch auf halbem Weg
    plötzlich kehrt und lief zum Lager zurück.
    Als sie zu der
    ausgebleichten Wurzel kamen und Emma wieder auf die Skelette starrte, wurde ihr
    Blick von einem Blitzen am Boden abgelenkt. Paul bückte sich und hielt etwas
    zwischen Daumen und Zeigefinger hoch. Es reflektierte in den letzten
    Sonnenstrahlen. „Eine Patrone.“ Emma sah, dass bei einem der Toten ein Teil des
    Schädels fehlte. „Also, falls er erschossen wurde, dann aus ziemlicher Nähe,
    sonst wäre ihm nicht die halbe Schädeldecke weggeflogen“, sagte Paul, und Emma
    erinnerte sich, dass er ja auch im Krieg gewesen war und die schrecklichsten
    Verletzungen und Verstümmelungen gesehen hatte. Auch sie war an Wunden und auch
    an Tod gewöhnt, aber hier in der Wüste, in der Stille und Einsamkeit, wo man
    keinen anderen Menschen – auch keinen Feind – vermutete, saß der
    Schock besonders tief.
    „Beim Dritten kann ich nichts feststellen. Jedenfalls wurde er
    nicht in den Kopf geschossen“, sagte Paul und stand auf. „Aber wer sollte so
    etwas tun?“, wollte Emma wissen. „Vielleicht haben sie sich ja selbst
    umgebracht, weil sie sich verirrt hatten.“ Sie dachte wieder an die Forscher in
    ihrem Buch. „Wer weiß“, sagte nun John. „Wir werden es auf jeden Fall melden,
    sobald wir in Stuart sind.“ Emma erschauerte. Das Rot der Erde und der vor
    ihnen liegenden Hügel waren zu einem violetten Schimmer verblasst. John fing
    ihren Blick auf und wandte sich rasch ab. Was hat er gegen mich? Seitdem sie an
    jenem Abend am Lagerfeuer miteinander gesprochen hatten und sie sich von ihm
    verstanden gefühlt hatte, sprach er nur noch das Nötigste mit ihr. „Begraben
    wir sie, bevor es ganz dunkel wird“, beendete John das beklommene Schweigen und
    begann, neben der Wurzel in die harte Erde zu hacken. Paul folgte seinem
    Beispiel. Die Erde war trocken und steinig, sodass sie die Spaten wie Hacken
    benutzen mussten. Paul sah auf. „Emma, geh zurück ins Lager. Das ist hier ja
    kein schöner Anblick.“ Sie nickte benommen. Sie dachte an das Brennholz, das
    sie nach dem schrecklichen Fund einfach hatte fallen lassen. Sie sollte es
    wieder einsammeln, damit sie Feuer machen konnten. Auch wenn ihr die
    Vorstellung, ins Camp zurückzukehren und in Hassans Nähe zu sein, nicht behagte.

    John sah ihr nach, wie
    sie sich entfernte, mit weit ausgreifenden Schritten, als müsse sie sich und
    den anderen beweisen, dass sie noch genauso kräftig und zuversichtlich war wie
    am Anfang der Reise. Doch er wusste, dass es nicht so war. Ihre Wangen waren
    eingefallen, ihre Augen flackerten, ihre Haut war gerötet – nicht nur

Weitere Kostenlose Bücher