Das Leuchten der purpurnen Berge (German Edition)
dunkle Ringe. Allein die Sonnenbräune,
die sie trotz des breitkrempigen Huts bekommen hatte, ließ sie nicht ganz so
krank aussehen.
Paul hingegen zeigte
keine Anzeichen von Ermüdung. Im Gegenteil. Er trieb alle zur Eile an. Für ihn
galt es, Neumünster so schnell wie möglich zu erreichen. Manchmal ängstigte
Emma sein Wille, der so leicht in Rücksichtslosigkeit ausarten konnte.
Hin und wieder trafen
sie auf Viehtreiber. Einmal kamen ihnen zwei Arbeiter der Telegrafenlinie
entgegen. Diese hatten zwei Kängurus erlegt und teilten das Essen mit ihnen.
Sie erzählten, dass sie vor einem halben Jahr aus Port Darwin aufgebrochen
seien und eine Weile in Stuart, auf der Telegrafenstation, zu tun gehabt
hätten. Beide wollten noch ein paar Jahre so weitermachen, sich dann eine Frau
zum Heiraten suchen und sich irgendwo niederlassen. Oder nach Gold graben,
sagte der eine lachend, und Emma bemerkte, dass er nur noch drei Zähne im Mund
hatte. „Sie sehen elend aus, Lady“, hatte er beim Abschied gesagt und unter
seinem Hut die helle Stirn gerunzelt. „Dieses verdammte Land ist nichts für
weiße Frauen.“ Sie hatte ihm nachgesehen, wie er mit schleppendem Schritt in
schmutzigen Hosen und löchrigen Stiefeln zu seinem Pferd gegangen, aufgestiegen
und, ohne sich noch einmal umzudrehen, mit seinem Kameraden davongeritten war.
Zu Beginn der dritten
Woche trafen sie einen chinesischen Händler, der mit einem klapprigen Wagen und
zwei stämmigen alten Pferden von
einer abgelegenen Farm kam und Richtung Oodnadatta unterwegs war. Er trug einen
chinesischen Strohhut und war sehr
klein und dünn. „Chen Lee hat alles, was Helz begehlt“, sagte er mit einer
leisen, hohen Stimme und nickte dabei unentwegt. Und tatsächlich, das Innere
des Holzverschlags war voll gestopft mit Stoffen, Töpfen, Schuhen, Tassen,
getrocknetem Obst, Unterwäsche, Lampen, Fisch in Dosen, einem Fernrohr,
Büchern, Seifen und Salben. Emma erstand einen Vorrat an Salben, Aspirin und
Mitteln gegen Übelkeit. Als er davonfuhr, winkte er ihnen zu und lachte.
Wenige Tage später, in
der Mittagspause, in der sie wie immer den restlichen Tee tranken und von dem
Damper aßen, den Emma am Morgen zubereitet hatte, kam das Gespräch auf die
weitere Route der Reise. Hassan hatte auf die Hügelkette gedeutet, die sich
weit vor ihnen bläulich im Dunst des Mittags erhob, und erklärt, dass der
kürzeste Weg da hinüber führen würde. „Wenn alles gut geht, dann drei Tage
schneller“, sagte er. Drei Tage!, schoss es Emma durch den Kopf. Alles, was
diese Reise verkürzte, war ihr recht! Wenn sie erst in Neumünster angekommen
wären, so ihre Hoffnung, würden auch ihre Kräfte zurückkehren. Paul kniff die
Augen zusammen, schob seinen Hut tiefer in die Stirn und sah zu den Bergen.
„Was spricht dagegen, Hassan?“ „Ist steil“, antwortete Hassan. „Manchmal zu
steil für Rinder und für Wagen.“ „Manchmal?“, fragte Paul. Hassan nickte.
„Manchmal.“ „Aber wir könnten es schaffen?“ Hassan nickte wieder. „Wenn Allah
will.“ „UNSER GOTT will, dass wir so schnell wie möglich unsere Aufgabe in
Angriff nehmen“, sagte Paul mit einem leicht tadelnden Unterton. „Nicht wahr,
John?“ Er blickte zu John, der mit der Teetasse in der Hand schweigend zu der
Hügelkette sah.
John zögerte und nahm
einen weiteren Schluck Tee. „Unsere Wagen sind sehr schwer“, sagte er
schließlich. „Und manchmal ist eine Abkürzung ein Umweg.“ Paul lachte auf. „Sie
reden ja schon richtig kryptisch, John Wittling!“ Die Schultern zuckend, rang
sich John ein Lächeln ab. Er wollte sich nicht mit Paul anlegen. Die letzten
Wochen hatte John sich sehr zurückhaltend gegeben. „Wenn unsere Vorgänger so
zögerlich wie Sie gewesen wären, hätten sie niemals diese Missionsstation
errichten können!“ Paul sprach lauter als notwendig. Er wird mich nicht
provozieren können, dachte John. „Ich schätze und achte die Leistungen unserer
Vorgänger genauso wie Sie, Paul“, gab John zurück, „aber wenn sie nicht auch
vorsichtig und umsichtig gewesen wären, hätten sie die Missionsstation sicher
genauso wenig errichten können.“ Über Pauls Gesicht flog ein kurzes belustigtes
Lächeln. „Nun, John, dann will ich Ihnen mal eine Geschichte erzählen.“ Er ist
sehr selbstgefällig, dachte John und versuchte, sich nichts anmerken zu lassen.
„Sie wissen doch, John, wie Jesus Petrus auffordert, er solle aus
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