Das Leuchten der purpurnen Berge (German Edition)
von
der Sonne. Sie aß kaum noch etwas und trank nicht viel. Paul schien davon
nichts wahrzunehmen, oder es war ihm gleichgültig. Auch jetzt arbeitete er,
ohne aufzusehen. Mach weiter!, trieb John sich an und verdrängte die Gedanken
an Emma.
Zentimeter um Zentimeter
kämpften sie sich vor; Stücke, nur halb so groß wie eine Hand, brachen sie aus
der Erde. Um sie herum wurde es Nacht, aber weder John noch Paul gönnten sich
eine Rast. Als sie jedoch nach einer Stunde noch immer nicht tiefer als drei
Finger waren, hielt John inne. Schwer atmend stützte er sich auf den Spaten und
wischte sich mit einem Taschentuch den Schweiß von der Stirn. „Wir sollten
morgen weitermachen, Paul.“ Ohne aufzusehen, trieb Paul den Spaten wieder in
den Boden. „Ich muss zuerst für die Ruhe dieser armen Geschöpfe sorgen. Sie
können nicht noch eine Nacht hier liegen“, stieß er hervor, bückte sich, hob einen faustgroßen Stein
auf und warf ihn weg. Irgendwo in der Dunkelheit hörte man ihn dumpf
aufschlagen. Auf den Spaten gestützt, sah John ihm noch eine Weile zu, dann
konnte er seine lang schon schwelende Wut nicht mehr hinunterschlucken.
„Glauben Sie, ich will sie nicht begraben?“, gab er zurück. Paul sah kurz auf, ein
belustigtes Erstaunen im Gesicht, erwiderte jedoch nichts. „Emma ist die ganze
Zeit allein im Lager“, sagte John wieder. „Hassan ist bei ihr.“ Paul schaufelte
eine Hand voll losgehackte Erde beiseite. Hatte Paul denn nicht bemerkt, dass
Emma sich von Hassan fern hielt, dass etwas in ihrem Blick war, wenn sie den
Afghanen ansah, was John nur als abgrundtiefes Misstrauen verstehen konnte? „Ich
glaube, sie fürchtet sich vor ihm. Es ist sicher besser, wenn Sie zu ihr
gehen“, sagte John, gegen seine Wut ankämpfend. Paul sah überrascht auf. „Aber Sie wollten doch aufhören, John. Ich nicht.“ Schon machte er weiter,
schlug den Spaten in die Erde. Es klackte, als das Metall auf einen Stein traf.
Nein, diesmal konnte er
nicht alles hinunter schlucken!, begriff John. „Emma macht einen kranken
Eindruck, ist Ihnen das denn nicht aufgefallen?“ Jäh blickte Paul auf. „Krank?
Sie hatte einen kleinen Schwächeanfall. Das kann mal vorkommen bei Frauen.“
John hätte Paul anschreien mögen. „Ich wäre an Ihrer Stelle nicht so leichtsinnig,
wenn es um die Gesundheit meiner Frau ginge!“, sagte er. Paul stach den Spaten
neben sich in die Erde und umklammerte den Stiel. „Was wollen Sie damit sagen,
John?“ Obwohl Paul versuchte, seine Stimme ruhig klingen zu lassen, entging
John nicht der drohende Unterton. „Die Reise ist anstrengend. Für eine Frau
noch mehr als für uns“, sagte John, um einen ruhigen Ton bemüht. „Wollen Sie
immer noch den Weg über den Berg nehmen?“ „Selbstverständlich!“ Paul sah ihn
verärgert an. „Und was Sie angeht, mein Freund. Sie brauchen sich um den
Appetit meiner Frau keine Sorgen zu machen.“ Er hob den Spaten und arbeitete
weiter.
In John kochte es. Warum
rief Paul in ihm eigentlich eine solche Wut hervor?, fragte er sich. Einen
Moment lang zögerte er noch, wollte sich zur Vernunft rufen, doch es gelang ihm
nicht. Wütend warf er den Spaten auf den Boden, sodass Paul erstaunt aufsah.
„Ich gehe ins Camp zurück. Was Sie machen, ist mir egal! Nur: Ich an Ihrer
Stelle würde meine Frau nicht so behandeln!“ Es kümmerte ihn nicht, ob er nun
Ärger mit Paul bekommen und ihre gemeinsame Arbeit darunter leiden würde.
Dieser Mann war ein Egoist, rücksichtslos und unbarmherzig! Zornig stapfte er
weiter. „John!“ Er ignorierte Pauls Ruf. „John Wittling!“ Schließlich blieb er
doch stehen und drehte sich um. Inzwischen war es so dunkel geworden, dass man
kaum noch etwas sehen konnte, nur die weißen Ärmel und Kragen ihrer Hemden
unter den Westen fingen das schwache Halbmondlicht auf und warfen es kalt
zurück. Paul kam auf ihn zu. Den Spaten hatte er zurückgelassen. „John“, sagte
er, als er nur noch wenige Meter von ihm entfernt stand. In der Ferne blitzte
das Metall des Spatens. Paul stand jetzt breitbeinig da und ließ die Arme
hängen. In seinem wirren Haar spielte das Mondlicht. „Sie sollten sich um Ihre Angelegenheiten kümmern.“ In John
züngelte die Wut wieder hoch, doch er versuchte sie im Zaum zu halten. „Hören
Sie, Paul“, sagte er so ruhig, wie er konnte, „ich habe lediglich auf den
bedenklichen Gesundheitszustand Ihrer Frau hingewiesen. Sie kennen dieses
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