Das Leuchten der schottischen Wälder
bandagierten Füßen auf den Flur, ließ die Tür aber offen, um den Patienten zu beobachten. Draußen bat sie eine Schwester: „Würden Sie bitte Dr. Finerfield sagen, dass ich ihn gern sprechen würde?“
„Selbstverständlich, ich rufe ihn sofort.“
Als Daniel wenig später kam, hatte Lena sich einen Stuhl geholt und saß so auf dem Flur, dass sie Patrick im Blick behalten konnte. „Daniel, was wird aus ihm?“
„Hast du ihm gesagt, dass wir seine Augen nicht retten können?“
„Nicht direkt, aber ich habe ihn gewarnt, dass er, wenn er sich nicht ruhig verhält, erblinden könnte.“
„Er rechnet also damit.“
„Ja, aber er glaubt es nicht.“
„Das ist normal. Wir haben seine Eltern informiert.“
„Aber das ist das Letzte, was er will.“
„Wir werden einen Spezialisten aus Edinburgh kommen lassen, aber wir haben keine Hoffnung. Da müssen die Angehörigen informiert werden.“
„Er hat ein sehr schlechtes Verhältnis zu seinen Eltern.“
„Das wird sich jetzt vielleicht ändern.“
„Sie waren gegen seine Berufswahl und wollten ihn als einzigen Sohn in der Grafschaft behalten.“
„Jetzt können sie ihn zurückbekommen.“
„Als einen blinden Mann. Daniel, du bist ganz schön grausam.“
„Ich sehe die Dinge, wie sie sind.“
„Deine Prognosen sind nicht endgültig. Du bist kein Augenarzt.“
„Aber ich bin Arzt genug, um den Tatsachen ins Auge zu sehen. Bist du in ihn verliebt?“
Sprachlos starrte Lena den Freund an. „Wie kommst du denn darauf?“
„Du bist sehr besorgt um ihn. Viel mehr, als es für eine normale Ärztin üblich ist.“
„Wir haben ein paar verdammt schwere Stunden miteinander erlebt.“
„Eben. Solche Erlebnisse kitten Menschen zusammen.“
„Aber daraus muss sich doch nicht gleich Liebe entwickeln.“
„Es muss nicht, aber es kann. Also, bist du in ihn verliebt?“
„Und wenn ich es wäre, ich würde es dir nicht sagen.“
Lena wollte das Gespräch beenden. Sie hatte Daniel nicht zu sich gebeten, um mit dem alten Freund über ihre Gefühle zu sprechen, sondern um Hilfe für Patrick zu erbitten. Aber wenn Daniel der Meinung war, sie hätte sich in diesen Ranger verliebt, konnte sie kaum Hilfe von ihm erwarten. Eifersucht war eine Empfindung, die man nicht so einfach beiseite schieben konnte. „Wann habt ihr die Eltern benachrichtigt?“
„Gestern Abend, als die Diagnose feststand. Sie müssten jeden Augenblick eintreffen. Vorausgesetzt, sie kommen, was ja nach deiner Beurteilung des Verhältnisses nicht unbedingt selbstverständlich ist.“
„Ich mische mich da nicht ein. Ich kenne diese Leute kaum, und ich habe auch nicht das Bedürfnis, sie näher kennenzulernen.“
„Du nimmst Reißaus?“
„Als Mensch, ja – als Ärztin natürlich nicht.“
Lena beobachtete, dass Patrick unruhig wurde. Wie immer versuchte er sofort, sich mit den bandagierten Händen die Augen zu reiben. Sie ging schnell zu ihm, hielt seine Hände fest und flüsterte: „Nicht reiben, Patrick, ganz ruhig bleiben.“
Daniel, der ihr gefolgt war, versicherte: „Wir haben einen Spezialisten gerufen, er wird den Verband abnehmen und die Augen untersuchen, sobald er eingetroffen ist. Bitte bleiben Sie ganz ruhig liegen.“
Auf dem Korridor waren Stimmen zu hören. Zwei Frauen unterhielten sich. Patrick versuchte sich aufzurichten, was ihm aber nicht gelang. „Höre ich da die Stimme meiner Mutter?“, fragte er verärgert. „Hast du meine Eltern doch benachrichtigt, Lena?“
„Nein, das Krankenhaus hat gestern mit ihnen telefoniert.“
„Es ist selbstverständlich für uns, Angehörige nach einem Unfall zu benachrichtigen“, mischte sich Daniel ein.
„So ein Blödsinn“, schimpfte Patrick, „ich bestimme selbst, wen ich sehen will und wen nicht.“
Lena zuckte erschrocken zusammen. Ob er wohl jemals seine Mutter sehen kann?, dachte sie traurig und ging nach draußen, um die Gräfin zu begrüßen. Die Schwester, die sie begleitete, stellte die Frauen einander vor und ging dann weiter.
„Danke“, erwiderte Lena und begrüßte die Lady, die sie mit abweisender Miene betrachtete und ihren Blick lange und missbilligend auf den bandagierten Füßen ruhen ließ. „Kennen wir uns?“, fragte sie schließlich und sah sich um. „Wo ist der behandelnde Arzt?“
Daniel kam aus dem Krankenzimmer. „Guten Tag, Lady McDoneral, mein Name ist Finerfield, ich bin der zuständige Arzt, und Dr. Mackingtosh ist die Ärztin, die Ihrem Sohn das Leben gerettet
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