Das Leuchten der schottischen Wälder
hielten, das gelbe, wild wuchernde Gras, das die Heidepflanzen zu ersticken drohte, fraßen, und die den unerwünschten Birkenpflänzchen, deren Samen der Wind im Frühling über die weiten Flächen verteilte, den Garaus machten.
Und sie freute sich auf Marc. Der Schäfer war so ruhig, so selbstbewusst, so beständig, dass er ihr wie ein Fels in der Brandung erschien. Regelmäßig zog er mit den Schafen der Gemeinde von Fasnacloich durch die Highlands, und alle vier Wochen kam er an ihrem Haus vorbei. Dann weideten die Schafe einen ganzen Tag lang vor ihrem Zaun, und sie konnte den Schäfer zum Essen einladen.
Sie genoss die Gespräche mit dem sechzigjährigen Mann, hörte gespannt zu, wenn er alte Highland-Geschichten erzählte und ihr Ratschläge für das Leben in den Hügeln gab. Er half ihr die Menschen zu verstehen, das Wetter zu beobachten, die wilde Sandy zu erziehen und mit der persönlichen Einsamkeit fertig zu werden. Denn einsam war sie, auch wenn sie es nie zugeben würde.
Lena stand schnell auf. Wenn sie sich beeilte, konnten sie gemeinsam frühstücken, bevor sie die ersten Krankenbesuche machte. Der Mittwoch war ihr Hausbesuchstag.
Lena sah noch einmal nach draußen. Wie ein lebender Teppich ergoss sich die graue Masse der mehr als sechshundert Tiere geruhsam über die Hügel. Der Himmel sieht freundlich aus, dann können wir draußen essen, überlegte sie. Da hat der Schäfer seine Herde im Blick, und die Hunde gehorchen ihm auf den kleinsten Ruf.
Sie duschte, zog sich rasch an und lief nach draußen in den Garten. „Hallo, Marc“, rief sie fröhlich winkend, „das Frühstück ist gleich fertig.“
Er erwiderte den Gruß und sagte: „Auf dem Tisch ist mein Beitrag.“
Sie drehte sich um. Auf dem Gartentisch lagen zwei Päckchen, beide in weiße Tücher gehüllt und mit feuchtem Moos umwickelt. Sie öffnete sie behutsam und naschte von jedem eine Fingerspitze voll. Das eine enthielt frischen Schafskäse, das andere Sahnequark.
„Na, kannst du’s nicht erwarten?“, rief der Schäfer.
„Nein, nie, deine Geschenke schmecken wunderbar, wir werden gleich davon kosten.“
Sie ging in die Küche, stellte die Kaffeemaschine an, holte Toast Butter, Wurst und Honig aus dem Kühlschrank und stellte alles zu dem Geschirr auf ein Tablett. Sie wusste, dass der Schäfer den besten Käse der ganzen Gegend zubereitete, und immer, wenn er hier vorbeikam, schenkte er ihr etwas davon. Da hat er wieder die halbe Nacht in seiner kleinen Meierei zugebracht, um mir frischen Quark zu bringen, dachte sie dankbar, froh, diesen Freund gefunden zu haben.
Dabei hatte alles vor drei Monaten gar nicht freundschaftlich begonnen. Sie hatten sich wegen der Heilerin gestritten, als sie sich zum ersten Mal trafen. Sie hatte sich über die Behandlungsmethoden der Frau beschwert, die ihr die Patienten abspenstig machte, und er hatte die Frau in ihrem Cottage verteidigt, ihre Kräutersalben und Heiltränke gelobt und ihr, der approbierten Ärztin mit dem langen Medizinstudium, Unwissenheit und Unverständnis vorgeworfen. Er hatte sie mit seinen Worten und Gesten regelrecht angegriffen, als sie sich zufällig auf einem Weg trafen, wo sie darauf wartete, dass seine Schafe den Pfad für ihr Auto frei machten und er gar nicht daran dachte, die Tiere zu einer flotteren Gangart anzutreiben.
Wütend hatte sie dem Besserwisser zugerufen: „Und was soll ich machen, damit die Kranken zu mir kommen?“
Und er hatte zurückgerufen: „Werden Sie besser als Colleen!“ Der schnellen, heftigen Aussprache war eine schnelle, heftige Versöhnung gefolgt, und seitdem waren sie die besten Freunde.
Der Kaffee war fertig. Sie ging mit dem Tablett nach draußen und deckte den Tisch. Der Schäfer pfiff seinen Hunden ein Kommando zu, und ganz ruhig umrundeten die vier Border Collies die Herde.
Lächelnd kam der Mann in den Garten, „Na, Doktor, hast du ausgeschlafen, oder haben dich meine Schafe geweckt?“
„Beides, Schäfer, beides.“ Sie umarmten sich freundschaftlich. Die Anrede von Doktor und Schäfer hatten sie beibehalten, denn damals, als sie sich zum ersten Mal begegneten und ihre Namen nicht kannten, hatten sie sich so angesprochen.
Der Schäfer nahm den Filzhut, der ihn vor Regen und Sonne schützte, vom Kopf und setzte sich. „Frischer Kaffee, wunderbar.“
Lena schenkte ein und reichte ihm das Brot. „Seit wann bist du heute schon unterwegs?“
„Seit drei. Bei heißem Wetter müssen die Schafe mittags in den Wald,
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