Das Leuchten der schottischen Wälder
Küchenkräuter wie Salbei, Majoran, Thymian, Kerbel und verschiedene Petersiliensorten. Abgeteilt auf anderen Beeten gediehen Heilpflanzen wie Arnika und Kamille, Lavendel, Wegerich und Sauerampfer. Und dann bot sich ihr ein Bild, das sie wohl ein Leben lang nicht vergessen würde: Am Zaun angebunden standen zwei qualvoll meckernde Ziegen. Während der Wildhüter in voller Uniform vor der einen Ziege im Gras kniete und das Tier zu melken versuchte, versuchte die andere, sich loszureißen.
Verblüfft und ein wenig erschrocken von der fluchenden Stimme trat Lena näher. „Mister, was machen Sie denn hier?“
„Verdammt noch mal, das sehen Sie doch. Hocken Sie sich hin, und helfen Sie. Da drüben steht noch ein Milchkrug für das andere Tier. Den Ziegen platzen die Euter, sie sind seit gestern nicht gemolken worden. Und statt dankbar zu sein, treten sie um sich und stoßen dauernd die Milchkanne um.“
„Und wo ist die Frau, die in der Hütte wohnt? Warum kümmert sie sich nicht um ihre Tiere?“ Lena musste sich noch immer das Lachen verkneifen. Das Bild der tretenden Ziege mit dem Ranger im Gras war geradezu köstlich.
„Die Frau liegt im Bett und wimmert vor Schmerzen.“
„Was? Da muss ich aber erst nach der Frau sehen, bevor ich mich um die Ziege kümmere.“
„Bleiben Sie bloß draußen, sie hat mir verboten, Hilfe zu holen. Einfach rausgeschmissen hat sie mich.“
„Aber was fehlt ihr denn?“
„Sie kriegt ein Kind, und sie meint, sie kann das alleine.“
„Gott im Himmel, wie alt ist die Frau denn?“
„Was weiß ich, so um die vierzig?“
„Vierzig? Und ich dachte immer, diese Colleen ist eine uralte Frau. Ich gehe auf jeden Fall rein, und wenn ich Hilfe brauche, lassen Sie die Ziegen stehen und helfen mir.“
„Ach, so ein Mi…“ Der Ranger klatschte der Ziege mit der flachen Hand auf das Hinterteil, sie hatte den Krug wieder umgestoßen. Das verschreckte Tier machte einen Satz an der kurzen Leine und stand dann mit einem Vorderbein im Krug. Mühsam richtete der Wildhüter sich auf und starrte Lena an. „Ich bin ein Mann. Lassen Sie mich mit diesem Frauenkram in Ruhe.“
„Nichts da, wenn ich Hilfe brauche, werden Sie kommen!“
Lena holte ihren Koffer aus dem Wagen und rief ihm zu: „Wie heißt die Frau mit Nachnamen?“
„Keine Ahnung, sie ist Irin“, rief er zurück und befreite die Ziege aus dem Krug. Lena lief zum Cottage, das so stark von Efeu überwuchert war, dass die Hütte fast darunter verschwand. Lena erwartete einen dunklen, ungepflegten, muffigen Raum. Aber sie hatte sich getäuscht. Das erste Zimmer, das sie betrat, war ein sauberer, heller, peinlich aufgeräumter Wohnraum, mit offener Feuerstelle und zahllosen trockenen Kräuterbüscheln an den Wänden, der durch ein großes, flaches Dachfenster erleuchtet wurde, während die kleinen Fenster, hinter dem Efeu verborgen, kaum Licht spendeten.
Aus einem zweiten Raum klang das Wimmern der Frau. Lena klopfte an und trat sofort ein. „Hallo, ich bin Ärztin und möchte Ihnen helfen.“
Die Frau versuchte erschrocken sich aufzurichten. „Verschwinden Sie. Ich brauche Sie nicht, und ich will Sie nicht. Und den Ranger soll der Teufel holen, wenn der Sie gerufen hat.“
„Ich bin zufällig vorbeigekommen. Und ich bleibe, ob Sie wollen oder nicht.“
„Kinderkriegen ist die natürlichste Sache der Welt.“ Die Frau stöhnte, als eine Wehe ihren Körper zu zerreißen drohte. „Ich weiß, wie das geht, also verschwinden Sie.“ Eine neue Wehe zerrte an ihrem Leib.
„Die Wehen kommen sehr schnell, legen Sie sich hin, und versuchen Sie tief und ruhig zu atmen.“ Lena zog den Arztkittel an, öffnete ihren Koffer und streifte Gummihandschuhe über. „Wo gibt es Wasser, wo kann ich es heiß machen, wo haben Sie frische Wäsche? Und vor allem – wo ist ein Lichtschalter?“
„Verschwinden Sie“, stöhnte die Frau, „hier gibt es kein Wasser und keinen Strom und keine Wäsche. Hier gibt es nur mich und mein Leben, wie ich es mir eingerichtet habe“, stöhnte die Schwangere. „Brauchen die Frauen der Naturvölker etwa Wasser und Licht, wenn sie im Urwald oder in der Wüste gebären? Ich bin wie s…“ Ihre Stimme versagte, sie biss sich auf die Lippen, und dann schrie sie doch.
Lena zog die Bettdecke vorsichtig weg um zu sehen, wie weit die Geburt fortgeschritten war. Dann drückte sie die verkrampfte Frau auf das Bett zurück. „Legen Sie sich hin, winkeln Sie die Beine an. Der Geburtskanal ist weit
Weitere Kostenlose Bücher