Das Leuchten des Himmels
zwischen ihnen lag, konnte er das Blau ihrer Augen erkennen. Ein helles Gletscherblau.
Über der Schulter trug sie einen Segeltuchbeutel, ihre Beine steckten in weiten Männerhosen, dazu hatte sie zerkratzte schwarze Lederstiefel an.
Diese eisblauen Augen richteten sich direkt auf seine und hielten sie fest, als sie den Mittelgang zwischen den Klappstühlen hindurchging und dann neben einem sehr gelenkig wirkenden Mann Platz nahm, der offenbar indianischer Abstammung war.
Sie sprachen nicht miteinander, aber Nate hatte das Gefühl, dass es zwischen ihnen – nicht intim oder körperlich – eine große Nähe und gegenseitigen Austausch gab. Sie schüttelte den Parka ab, während Deb von der Filmnacht zu den Informationen zum bevorstehenden Hockeyspiel kam.
Er versuchte, sich darüber klar zu werden, ob sie hübsch war. Eigentlich nicht – denn ihre Augenbrauen waren zu gerade, ihre Nase ein bisschen zu sehr gebogen, ihre Oberlippe zu schwer.
Aber selbst als er im Geiste ihre Makel auflistete, regte sich etwas in seinem Bauch. Interessant, war alles, was ihm zu ihr einfiel. In den letzten paar Monaten hatte er sich von Frauen fern gehalten – was ihm bei seiner seelischen Verfassung wirklich nicht schwer gefallen war. Aber diese kühl wirkende Frau brachte seine Säfte wieder in Fluss.
Sie öffnete ihren Beutel und zog eine braune Tüte hervor. Und zu Nates verblüffter Belustigung tauchte sie ihre Hand ein und zog sie mit einer Faust voll Popcorn heraus. Sie knabberte dies und bot ihrem Sitznachbarn davon an, während Deb mit ihren Ankündigungen zum Ende kam.
Als Ed ans Pult trat und von der Stadtverwaltung und deren Fortschritten berichtete, zog die neu Angekommene eine silberne Thermoskanne aus ihrem Beutel und schenkte sich offenbar schwarzen Kaffee in den Becher.
Wer zum Teufel war sie? Die Tochter des Mannes? Altersmäßig könnte das hinkommen, aber er konnte keine Familienähnlichkeit erkennen.
Sie wurde nicht rot oder fahrig, als er sie anstarrte, sondern mampfte weiter ihre Brotzeit, trank ihren Kaffee und erwiderte seinen Blick.
Als Hopp angekündigt wurde, gab es Applaus. Mit einiger Anstrengung zwang Nate sich, wieder ins Geschehen einzutauchen.
»Ich möchte hier keine Zeit mit politischen Erklärungen vergeuden.
Wir haben uns dafür entschieden, unsere Stadt zu organisieren, weil wir uns in der Tradition unseres großen Landes selbst um unser Wohl kümmern wollen. Wir haben dafür gestimmt, das Polizeigebäude zu bauen und eine Polizeistation einzurichten. Darüber wurde viel debattiert, von beiden Seiten hitzig, aber auch mit guten Argumenten. Im Ergebnis haben wir uns darauf geeinigt, einen Mann von außen einzustellen, einen Mann mit Erfahrung, der aber keinerlei Verbindungen in Lunacy hat. Damit er fair und klug für die Einhaltung der Gesetze sorgt, vorurteilsfrei und dem Gleichheitsprinzip verpflichtet. Das hat er heute bereits unter Beweis gestellt, als er Jim Mackie in Handschellen legte, weil dieser sich mit seinem Bruder im Lodge einen Ringkampf geliefert hat.«
Das wurde mit Kichern kommentiert, und die Mackie-Brüder grinsten mit verwüsteten Gesichtern von ihren Stühlen.
»Bestraft hat er uns auch«, rief Jim.
»Und das macht zweihundert ins Stadtsäckel. Wenn ihr beiden so weitermacht, dann bezahlt ihr ganz allein den Löschzug, den wir haben wollen. Ignatious Burke ist aus Baltimore, Maryland, zu uns gekommen, wo er im Baltimore Police Department elf Jahre lang tätig war, davon neun Jahre als Detective. Wir können uns glücklich schätzen, dass jemand mit Chief Burkes Qualifikationen sich um uns hier in Lunacy kümmert. Also klatscht in die Hände und heißt unseren neuen Polizeichef willkommen.«
Als sie der Aufforderung nachkamen, dachte Nate: O Scheiße, und erhob sich von seinem Stuhl. Er trat an das Pult, sein Gehirn leer wie eine frisch geputzte Wandtafel. Und aus der Menge schrie jemand: cheechako .
Es folgten Gemurmel, Gemurre und Stimmen, die im Streit laut wurden. Seine Verärgerung darüber besiegte seine nervliche Anspannung.
»Das ist richtig, das bin ich. Ein Cheechako. Ein Outsider. Ein Mann von außerhalb, frisch von den Lower 48.«
Das Gemurmel hörte auf, als er die Menge ins Visier nahm.
»Den Großteil dessen, was ich von Alaska weiß, habe ich aus einem Reiseführer, aus dem Internet oder aus Filmen. Ich weiß nicht viel mehr über diese Stadt, als dass sie verdammt kalt ist und
die Mackie-Brüder gern aufeinander losgehen und ihr hier eine
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