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Das Leuchten des Himmels

Das Leuchten des Himmels

Titel: Das Leuchten des Himmels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roberts Nora
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erdrückendes schwarzes Gewicht auf ihn herabgefallen.
    Das war nicht das erste Mal, und es passierte ohne vorangehende Unruhe oder schleichende Traurigkeit. Nur diese schwarze Überschwemmungswoge, die ihn überrollte. Nur dieser unvermittelte Wechsel von hell nach dunkel.
    Mit Hoffnungslosigkeit hatte das nichts zu tun. Das Prinzip Hoffnung musste schon vorhanden sein, ehe man sich mit dessen Abwesenheit befassen konnte. Es waren auch nicht Kummer, Verzweiflung oder Wut. Mit jeder dieser Emotionen hätte er umgehen oder sie bekämpfen können.
    Es war ein Loch. Unermesslich, schwarz, ohne Luft, und es saugte ihn ein.
    Er konnte funktionieren, selbst wenn er drinnen war, das hatte er inzwischen gelernt. Wenn man nicht funktionierte, ließen die Leute einen nicht in Ruhe, und ihre Besorgnis und Fürsorge stießen einen nur noch tiefer in den Abgrund.
    Er konnte gehen, reden, existieren. Aber leben konnte er nicht. Dieses Gefühl hatte er jedenfalls, wenn er sich in dieser schlüpfrigen Umklammerung befand. Er fühlte sich wie ein sich vorwärts bewegender Toter.
    Genau so hatte er sich auch im Krankenhaus nach Jacks Tod gefühlt, als der Schmerz unter den Tabletten pochte und das Bewusstsein dessen, was geschehen war, den Pfad ins Vergessen verwischte.
    Aber er konnte funktionieren.
    Er hatte seine Arbeit beendet, abgeschlossen. Er war zurück ins Lodge gefahren, war auf sein Zimmer gegangen. Hatte mit Leuten gesprochen. Er konnte sich nicht erinnern, über was und mit wem, aber er wusste, dass sein Mund sich bewegt hatte und Worte herausgekommen waren.

    Er war hoch auf sein Zimmer gegangen, hatte die Tür abgesperrt. Und sich ins Winterdunkel gesetzt.
    Was zum Teufel tat er hier an diesem Ort? Diesem kalten, dunklen, leeren Ort? War er so weitsichtig, so pathetisch, dass er diese Stadt des ewigen Winters ausgesucht hatte, weil sie auf so perfekte Weise sein Inneres spiegelte?
    Was hatte er denn nun beweisen wollen, indem er hierher kam, sich eine Dienstmarke anheftete und so tat, als würde ihm noch etwas an seinem Job liegen? Verstecken, das war es, mehr nicht. Verstecken vor dem, was er war, was er gewesen ist, was er verloren hatte. Aber du kannst dich nicht vor dem verstecken, was in dir ist und jede Minute, jeden Tag nur darauf wartet, herauszuspringen und dir ins Gesicht zu lachen.
    Er hatte natürlich die Tabletten. Die hatte er sich mitgebracht. Tabletten gegen Depression, Tabletten gegen Angst. Tabletten, die ihm halfen zu schlafen, ganz tief da unten, wohin die Albträume ihn nicht verfolgen konnten.
    Aber er hatte die Tabletten abgesetzt, weil sie ihm das Gefühl gaben, nicht mehr er selbst zu sein. Und dies weitaus mehr, als Depression, Angst oder Schlaflosigkeit das bewirkt hatten.
    Er konnte nicht zurück, konnte nicht vorwärts, warum also nicht hier versinken? Tiefer und tiefer, bis er endlich nicht mehr aus dem Loch herauskriechen konnte oder wollte. Er wusste, ein Teil von ihm wusste, dass er es hier ganz bequem hatte, er sich in der Dunkelheit und der Leere einrichtete und sich in seinem eigenen Elend suhlte.
    Verdammt, er könnte hier einen Haushalt einrichten, wie einer der Verrückten, die in einer leeren Kühlbox unter einer Brücke leben. Das Leben in einer Schachtel war ziemlich einfach, und keiner erwartete etwas von einem.
    Er musste an den alten Spruch vom Baum denken, der im Wald fiel, und er modelte ihn sich zurecht, bis er zu ihm passte. Wenn er in Lunacy seinen Verstand verlor, hatte er dann je einen zu verlieren gehabt?
    Er hasste diesen Teil in sich, der solche Gedanken hegte, den Teil, der hier leben wollte.
    Wenn er nicht hinunterging, würde jemand hochkommen. Das
wäre peinlich. Er fluchte schon bei der Anstrengung, die es kostete, in die Senkrechte zu gelangen. Waren diese kleinen Regungen, diese winzigen Lebensfunken nichts weiter als Spott gewesen? Eine Methode des Schicksals, das ihm zeigen wollte, wie es war, lebendig zu sein, ehe es ihn erneut in dieses Loch stieß?
    Nun, er hatte immer noch genug Wut im Bauch, um dieses Mal, dieses eine Mal herauszukriechen. Er würde diesen Abend überstehen, diesen letzten Abend des Jahres. Und wenn das nächste nichts brachte, egal, denn schlimmer konnte es nicht werden.
    Aber heute Abend war er im Dienst. Er schloss seine Hand über der Dienstmarke, die er noch abnehmen musste, und wurde sich dabei der Lächerlichkeit bewusst, dass so ein billiges Stück Metall ihn stützen sollte. Doch jetzt würde er selbst das abnehmen und dennoch

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