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Das Leuchten in der Ferne: Roman (German Edition)

Das Leuchten in der Ferne: Roman (German Edition)

Titel: Das Leuchten in der Ferne: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linus Reichlin
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war ihnen zu eintönig. Und wenn sie abends nach Hause kamen, lasen sie ihren Kindern eine Gutenachtgeschichte vor, in der ein Bär unbedingt nach Panama will, weil dort alles größer, schöner und besser ist. Und sie sagten sich, warum mach ich’s nicht wie der Bär und suche Panama? Freiwillig haben sie ihre Familien zurückgelassen, und wenn sie sich jetzt nach ihnen sehnen, dann nur, weil sie hier sind. Die Sehnsucht gehört zum Abenteuer, die wird in Kauf genommen, und zwar gern. Denn alles ist besser als der Alltag in der Kaserne und im Vorstadthäuschen. Alle, die hier sind, sind lieber hier als bei ihren Familien. Wenn es nicht so wäre, wäre dieses Camp leer.
    Ich finde den Vergleich sehr treffend, sagte Miriam. Ein Mann liest seinen Kindern eine Gutenachtgeschichte vor und merkt dann, dass er selbst eins ist. Mir tun nur seine Kinder leid. Sie hätten lieber einen erwachsenen Mann zum Vater. Und nun haben sie einen, der auf einem Holzpferdchen in den Sonnenuntergang reitet.
    Seegemann lachte. Ja, das hat was, sagte er. Wenn ich mich so in meinem Bekanntenkreis umschaue, da gibt es tatsächlich viele Männer, die nicht erwachsen werden wollen.
    Das aus dem Mund eines Offiziers, der lieber im afghanischen Gebirge hinter Splitterschutzwänden hockte als zu Hause in Aachen auf seinem gemütlichen Büffelledersofa am Kaminfeuer!
    Seegemann fragte, ob er rauchen dürfe, jetzt kam das, jetzt kam der Herr mit der Pfeife. Martens fragte Miriam, ob es sie störe, wenn er auch rauche, und sie sagte, wenn gelüftet wird, nicht. Das Fenster ließ sich aber nicht öffnen, es war außen mit Panzerplatten geschützt. Seegemann stand auf und drehte an einem Regler der Klimaanlage, ein Rauschen erhob sich. Er sagte, die Luft werde nun nach draußen abgeführt, aber selbstverständlich könne er auf das Rauchen auch verzichten. Miriam sagte, falls er noch eine Flasche Wein öffne, sei sie zu einem Kompromiss bereit.
    Nolting brachte noch eine Flasche und einen Teller mit Weichkäse und Melonenschnitten. Seegemann lud Nolting ein, sich dazuzusetzen, und schon bald sprachen sie über ihre Kinder. Nolting hatte eine kleine Tochter, zweijährig, er zeigte auf seinem iPhone Fotos, ein hübsches, rundköpfiges Kind mit roten Haaren. Nolting scherzte, in Anspielung auf seine eigene Haarfarbe, dass er auf einen Vaterschaftstest verzichtet habe. Martens sagte, dass es in Deutschland knapp eine Million rothaarige Männer gebe, und es dauerte eine Weile, bis alle darüber ein wenig lachten. Miriam erzählte von Sinan, dass er kürzlich, nachdem die Zahnputzfee im Kindergarten von Bakterien gesprochen habe, die die Zähne kaputt machen, sich abends übers Waschbecken gebeugt und den Mund weit aufgemacht habe: Mama, ich lasse die Bakterien rausfallen, dann muss ich die Zähne nicht putzen. Gelächter. Miriam erzählte noch mehr von Sinan. Sie sprach mit solcher Liebe von ihm, dass Martens nur noch ihrer Stimme lauschte, die Liebe lag nicht in den Worten, sondern im Ton. Es tat ihm leid, dass er vorhin wieder das gewöhnliche Leben, den Alltag im Vorstadthäuschen, desavouiert hatte, er hatte Miriam damit verletzt. Ihm fehlte vielleicht einfach diese Art Liebe, die er in ihrer Stimme hörte, in ihren Augen sah, wenn sie über ihr Kind sprach. Vielleicht hatte er Nives nie so geliebt wie sie Sinan, nie auf diese bedingungslose Weise. Als Nives noch ein Baby gewesen war, hatte er sie geliebt wie eine Meeresbrandung in warmer Sonne oder das Aufbrechen von Wolken, einen warmen Platzregen, wie einen dicken, fetten Schokoladenkuchen mit glänzender Glasur oder eine von kräftiger, brauner Sauce umgebene Lammhaxe, deren Fleisch vom Knochen fiel. Das Baby war etwas Entzückendes gewesen, weich, warm, hinwendungsvoll, und ein Blick in die kristallreine Tiefe seiner Augen hatte die Schatten vertrieben, die Martens, wenn er von seinen Reisen zurückgekehrt war, mit ins Kinderzimmer gebracht hatte wie die Pest. Das Dunkle hatte er mitgebracht, die Knochen im Kamin in Tuzla, die Erinnerung an die Hutu-Burschen, die es anstrengend fanden, jeden Tag mit der Machete so viele Menschen töten zu müssen. Aber wenn er Nives aus ihrer Wiege gehoben und in ihre Augen geschaut hatte, war es wie eine reinigende Waschung gewesen. Denn in diesen Augen gab es das alles nicht, keine Macheten, keine Knochen, sie lösten sich auf darin und zurück blieb nur das Strahlen eines neuen Menschen. Er hatte in Nives Trost gefunden, deswegen war er gern zu ihr

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