Das Leuchten in der Ferne: Roman (German Edition)
Fleisch während des Bratens salzt, sagte er zu Miriam, wird es würziger. Das Salz kann durch die Hitze besser ins Fleisch eindringen. Übersetz ihm das bitte.
Sie tat es, und Chargul machte einen Vorschlag: das eine Hähnchen erst am Schluss salzen, das andere schon jetzt.
Martens war einverstanden.
Chargul entnahm dem Salzbeutel einige große Körner und zerrieb sie auf einem Stein. Martens tupfte den Finger in den Salzstaub. Es war ein sehr mildes, erdiges Salz. Er bestreute damit das eine Hähnchen.
Wolken zogen vor den Mond, es wurde dunkler. Das Hähnchenfett zischte in der Glut, ein Geruch nach Kindheit, nach fröhlichen Feuern und brutzelnden Würsten im Wald stieg auf. Martens drehte die Hähnchen auf die Hautseite, es waren schwere, unter der Sonne aufgewachsene und aus der Hand des Bauern ernährte Hähnchen, wie man sie in Deutschland nur in Feinkostgeschäften bekam. Man aß in den Bergen Afghanistans also luxuriös. Er beobachtete die Hähnchen aufmerksam, um den richtigen Zeitpunkt nicht zu verpassen, wenn die Haut knusprig, das Fleisch aber noch saftig war. Unter die Schenkel schob er mit einem Ast etwas mehr Glut, von der Brust schob er Glut weg. Er hatte Lust, jetzt seine Zigarette zu rauchen, aber nach dem Essen würde sie noch viel besser schmecken, er sparte sie sich auf.
Martens holte am Fluss drei große Steine. Und als der Zeitpunkt gekommen war, zerteilte er die Hähnchen und legte Chargul zwei Schenkel auf seinen Stein.
Der links ist vom gesalzenen Hähnchen, sagte Martens.
Chargul kostete davon. Dann streute er auf den anderen Schenkel Salz und aß auch von diesem Schenkel einen Bissen. Er kaute und blickte hinunter zum Fluss. Chargul strich sich über den Mund und sagte etwas.
Er merkt keinen Unterschied, sagte Miriam.
Martens aß nun auch von beiden Schenkeln einen Bissen.
Ich auch nicht, sagte er.
Nachdem dies erledigt war, zerrissen sie die Hähnchen und stopften sich das Fleisch in den Mund. Es schmeckte unvergleichlich gut. Die aromatischen Säfte, Fleisch, das auf der Zunge zerging, Rauch, Feuer, das Wasser des Flusses, es war der Geschmack der Sterne über ihnen, des kühlen Windes, und alles durchdrungen von der Würze des milden Salzes. Chargul leckte die Knochen ab, bevor er sie wegwarf. Miriam legte ein besonders saftiges Stück aus dem Unterschenkel auf Charguls Stein, und er nickte und aß es.
Als nichts mehr da war, zog Chargul eine Zigarette aus der Packung und hielt sie Martens hin. Chargul nahm selber eine in den Mund und zündete sie sich mit einem glühenden Ast an. Er reichte den Ast Martens, und sie rauchten gemeinsam.
Chargul sagte etwas.
Er möchte wissen, wie du heißt, sagte Miriam, und wie viele Söhne du hast.
Bazir
Unter den Sternen lagen Chargul und Martens auf der Ladefläche des Pick-ups unter der Plane, die nicht wärmte. Chargul hatte sie zuvor vom Gestänge genommen und zu einer dicken, aber wirkungslosen Decke zusammengefaltet, sie speicherte die Kälte eher als dass sie sie fernhielt. Die Luft war Eis, die Sterne Kristalle. Chargul schlief tief, Martens’ unruhige Bewegungen weckten ihn nicht. Der Mond war hinter den Bergkämmen versunken. In Abständen ging ein kleiner Ruck durch den Wagen, wenn Miriam, die von Chargul in der Fahrerkabine einquartiert worden war, den Motor einschaltete, um die Kabine zu heizen. Der Wagen vibrierte eine Weile, bis es in der Kabine warm genug war, dann erloschen Geräusch und Vibration, und der kalte Wind strich über Martens’ Stirn.
Martens spürte die Kälte inzwischen auf den Knochen. Wenn er die Zähne zusammenbiss, klapperten sie leise. Der Gedanke an die warme Fahrerkabine ließ ihm keine Ruhe. Er tippte Chargul an, um herauszufinden, wie tief dessen Schlaf war. Und es war ein verlässlicher Schlaf. Weder Kälte noch Unruhe konnten ihm etwas anhaben. Es war der Schlaf eines Menschen, der keine Wahl hatte. Chargul hatte bestimmt auch schon im Stehen geschlafen oder auf blanken Steinen, und er war es gewohnt, im Schlaf berührt zu werden, von anderen, die im Traum mit den Armen um sich schlugen oder in der Kälte sich an ihn drückten.
Martens schob seinen Teil der Plane weg. Er stand auf, und mit klammen Beinen ging er zum Heck des Wagens und kletterte hinunter. Er trat auf einen unsicheren Stein, rutschte aus und spürte ob der abrupten Bewegung einen Stich im Kreuz.
Er klopfte ans Fenster, öffnete die Wagentür, ihm quoll Wärme entgegen, und er schlüpfte in sie hinein. Miriam saß auf dem
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