Das Leuchten in der Ferne: Roman (German Edition)
begleitet hatte, von denen einer ihm aus Ungeschicktheit Kamelmilch über den Pullover geschüttet hatte. Aber Kamelmilch ging gut raus, man musste die Wolle nur sofort in mit Urin versetztem Wasser einweichen, das hatte ihn eine der Sahraui-Frauen gelehrt, die mit den Kämpfern herumgezogen waren.
Martens brachte Chargul das Holz, und Chargul holte den Reservekanister, beträufelte das Holz mit Benzin und warf ein Streichholz hinein. Eine übel riechende Flamme loderte auf.
Chargul sagte etwas.
Du sollst noch mehr Holz bringen, übersetzte Miriam, sonst reicht die Glut nicht.
Martens schnitt am Fluss noch mehr Zweige, alle Sterne des Weltalles schauten ihm zu. Die Spitzen der höchsten Berge streckten sich nach Sternen. Man hörte das Gluckern des Wassers und den Wind, der manchmal aus seinen Verstecken hervorrauschte. Martens musste zweimal atmen, um seine Lungen zu füllen, und es blieb ständig ein Hunger nach mehr Luft zurück. Dass Miriam nur herumstand und ihm beim Holzsammeln nicht half, begann ihn zu ärgern. Er brachte ein zweites Bündel zu Chargul, der sich gerade an einem glimmenden Aststück eine Zigarette anzündete.
Ich hätte auch gern eine, sagte Martens, kannst du ihn bitte fragen?
Miriam fragte, und Chargul zog eine Zigarette aus der Packung.
Martens bedankte sich mit seinem Mana na. Er steckte die Zigarette ein, ihm fehlte der Atem, um sie jetzt zu rauchen.
Chargul legte Holz nach, und eine Weile starrten sie alle in das Feuer, das nun an Kraft gewann.
Salz
Es dauerte. Sie saßen um das kleine Feuer herum und wärmten sich auf. Als die Glut so weit war, musste schnell gehandelt werden. Denn die dünnen Äste gaben eine nur dünne Glut. Chargul zerteilte mit dem Messer die beiden Hähnchen und legte sie mit der Hautseite voran in die Glut. Martens freute sich zu sehr auf die Hähnchen, um nicht zu widersprechen. Über der Glut gebratenes Hähnchenfleisch konnte köstlich sein, aber seiner Erfahrung nach war es falsch, die Hähnchen direkt auf die Glut zu legen, und dann auch noch auf der Hautseite.
Frag ihn bitte, ob ich das machen darf, sagte Martens.
Was?, fragte Miriam.
Die Hähnchen braten.
Sie fragte Chargul.
Chargul sagte etwas. Er war wirklich sehr hübsch, gerade jetzt im Mondlicht, wahrscheinlich waren sie alle verrückt nach ihm, wollten seine dichten, schwarzen Haare berühren und einen Blick aus seinen mit Kajal umrandeten Augen geschenkt bekommen. Die Paschtunen schwärmten für das, was sie zu sehen bekamen und was sie für edel und gut hielten. Und zu sehen bekamen sie ausschließlich Männer, die Frauen blieben verborgen und waren unrein. Ein schöner junger Mann wie Chargul konnte leicht zum Liebling seines Kommandanten werden. Jeder wusste, dass es geschah, es war nur verboten, darüber zu sprechen.
Er fragt, warum du das Hähnchen braten willst, sagte Miriam.
So wird die Haut verbrennen, sagte Martens.
Miriam und Chargul wechselten ein paar Worte.
Er will sehen, wie du es machst, sagte sie.
Martens suchte nach länglichen, schmalen Steinen, die geeignet waren, um sie als Grill zu benutzen. Er legte die Steine ins Feuer und darauf die Hähnchen, mit der Hautseite nach oben.
Die Methode schien Chargul zu überzeugen. Er zündete sich eine Zigarette an und betrachtete die Hähnchen.
Frag ihn, ob er Salz dabeihat, sagte Martens.
Chargul zeigte auf einen kleinen Beutel, den er bei sich hatte.
Martens streckte die Hand aus, denn er wollte die Hähnchen salzen.
Chargul war dagegen.
Er sagt, übersetzte Miriam, dass das Hähnchen besser wird, wenn man es erst am Schluss salzt.
Martens fand es gar nicht so erstaunlich, auf einen Talib zu treffen, der in der uralten Streitfrage der Köche, ob man Fleisch vor oder erst nach dem Braten salzen soll, eine dezidierte Meinung vertrat. Denn ausgerechnet die Taliban waren die einzigen afghanischen Männer, die etwas vom Kochen verstanden. Kochen war Frauenarbeit und galt den afghanischen Männern als unehrenhaft. Da aber die Taliban auf ihren wochenlangen Kriegszügen ohne Frauen unterwegs waren und die Abende oft in Verstecken fern jeder Siedlung verbrachten, hatten sie lernen müssen, sich ihr Essen selbst zuzubereiten. Es war eine niedrige Arbeit, und man wies sie den Jüngsten in der Truppe zu. Chargul war knapp über zwanzig, und seine Erfahrungen, was das Salzen von Hähnchen betraf, hatte er wohl in seiner Zeit als Jüngster der Truppe gewonnen.
Es reizte Martens, mit Chargul zu fachsimpeln.
Wenn man das
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