Das Leuchten in der Ferne: Roman (German Edition)
Menschen. Der Hund bellte nicht ihretwegen, dazu waren sie noch zu weit entfernt vom Dorf, und näher wollten sie ihm vorläufig nicht kommen. Aber sie hörten den Hund gern, er sagte, bei uns könnt ihr Hähnchen kaufen, Melonen, Reis, einen Esel, wenn ihr wollt. Er sagte, vielleicht gibt es hier sogar einen Wagen für euch, den ihr benutzen könnt. Und schaut mal, wie grün es hier bei uns ist! Es gab Büsche, Sträucher, endlich Feuerholz im Überfluss, und Farben erfreuten die Augen. Seit vier Wochen hatten sie nur Steine gesehen, kalte Flüsse, die an Steinen vorbeigeflossen waren, graue Wolken über kalten Flüssen, die Farbe des Windes war grau gewesen, die Nässe war ins Leder der Schuhe gezogen bei denen, die lederne Schuhe trugen. Die, die nur Turnschuhe trugen, hatten sich abends gegenseitig die Füße gerieben an den immer dürftiger werdenden Feuern. All die Tage keine Sonne, eine kalte Scheibe hinter Wolken war alles gewesen, vier Wochen lang kein einziger Schatten.
Aber jetzt stanzte die Sonne fette, schwarze Schatten in den Boden, und die Büsche strotzten, kleine, olivbraune Vögel flatterten aus ihnen hoch, ihr Gefieder blitzte im Sonnenlicht. Die Männer ließen sich auf den warmen Steinen nieder, sie zogen ihre Schuhe und Socken aus und legten sie der Sonne zum Trocknen hin. Der Hund hörte auf zu bellen, und nun lag ein Summen in der Luft, man hatte Fliegen auf der Stirn, sie tunkten ihre Rüssel in die Schweißperlen.
Martens lag auf dem Boden, der Wind strich über seine Füße und zwischen den Zehen hindurch. Die durchfeuchtete Wetterjacke und seinen Mohair-Pullover hatte er über einen Felsbrocken gelegt, und im Augenblick ließ Yousef ihn in Ruhe, denn auch er musste sich aufwärmen. Martens blickte in den Himmel, es war ein Blau, in das man tief hineinsehen konnte, ein durchlässiges Blau, hinter dem weitere, sattere Schichten lagen.
Martens erwachte, weil ein Schatten auf ihn fiel. Es war Yousef, der – obwohl genügend Platz war – über seine Beine stieg. Martens hob den Kopf, um zu sehen, was Yousef als Nächstes vorhatte. Es ging um den Stein, auf dem Martens’ Wetterjacke und der Pullover trockneten. Yousef warf beides auf den Boden, er beanspruchte den Stein für sich. Er setzte sich darauf und kaute auf den Fingernägeln.
So war es eben.
Die anderen lehnten sich an große Steine oder saßen frei, mit angewinkeltem Bein. Sie fanden es befremdlich, dass Martens sich flach auf den Boden gelegt hatte, sie selbst taten das nur zum Schlafen. Wenn sie sich tagsüber hinlegten, dann stets mit aufrechtem Oberkörper, auf die Ellbogen gestützt. Einer, dessen Namen Martens nicht kannte, schnitt sich mit dem Messer die Blasen an den Füßen auf.
Dilawar zählte Ehsanullah und Pason Scheine in die Hand, und die beiden brachen auf. Ehsanullah war unter den Männern der älteste, aber die anderen verwehrten ihm den Respekt, den sie einem alten Mann schuldeten, denn Ehsanullah war einfältig. Ein hinterfotziger Faun, dem man jeden Tag vieles verzeihen musste. Er belästigte die anderen mit eindeutig geformten Holzstücken, die er vor ihren Gesichtern schwenkte, manchmal hielt er sich auch eins zwischen die Beine und stolzierte damit herum. Es hieß, er habe eine Kugel im Kopf, aus dem Krieg gegen die Russen. In manchen Nächten weckte Ehsanullah die anderen durch lauten Gesang, aber es war nicht der Gesang, der sie erzürnte. He sings Mujahideen Songs, hatte Pason Martens erklärt, but with the wrong words. It makes them very angry. Ehsanullah wurde geduldet, weil man ihm jede Last aufbürden konnte, und für keine Arbeit war er sich zu schade. Er schleppte Holz, er holte Wasser, rieb das Kochgeschirr mit Erde aus, trug für die anderen die Gewehre, er war nach dem Tod der Esel unentbehrlich. Martens sprach er manchmal auf Russisch an, sagte dawai, dawai, mudak! und stieß ihm die Faust ins Kreuz, was ihm jedes Mal einen Tadel von Omar eintrug. Nun ging Ehsanullah mit Pason ins Dorf, kleine Staubwolken stiegen hinter den beiden auf, als sie talwärts wanderten.
Omar lehnte sein Gewehr an einen abgeflachten Felsbrocken, der ihm geeignet schien, um von einer erhöhten Position aus zu beten. Er stieg auf den Felsen und kniete sich hin. Die anderen, die im Schatten der Sträucher lagerten, rafften sich auf, unter Omars Blicken führte an den Gebeten kein Weg vorbei. Omar beharrte auf der Einhaltung der fünf täglichen Gebete, während Dilawar sich mit drei zufriedengab. Fast täglich
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