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Das Leuchten in der Ferne: Roman (German Edition)

Das Leuchten in der Ferne: Roman (German Edition)

Titel: Das Leuchten in der Ferne: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linus Reichlin
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gerieten die beiden darüber in Streit. Den Männern schien es sicherer zu sein, sich Omars Haltung anzuschließen, denn bei dem Leben, das sie führten, mussten sie jederzeit mit ihrer Ankunft im Paradies rechnen. Wer im Schatten eingenickt war, wurde geweckt, und allmählich versammelten sich alle um Omar und richteten sich nach Mekka aus.
    Anfangs hatte sich Martens, wenn die Männer beteten, aus Respekt vor ihrer Gläubigkeit auch hingekniet, ohne sich aber zu verneigen, er wollte es mit dem Respekt nicht übertreiben. Seine Gebetshaltung hatte die Männer aber nur verwirrt: Äfft er uns nach, oder betet der Kafir zu seinem Christengott, während wir hier den einzig wahren Gott loben? Omar hatte Martens mit einem Fußtritt zu verstehen gegeben, dass er gefälligst im Gebüsch zu seinem falschen Gott beten soll. Seither schaute Martens ihnen beim Beten nur noch zu, wie es einem Affen gebührte. In religiöser Hinsicht hielten sie ihn für einen Affen, in ökonomischer für etwas Ähnliches wie eine kostbare Vase. Eine Zweihundertausend-Dollar-Vase, die Dilawar gehörte. Dilawar transportierte die Vase zum Ort des Verkaufs, und jeder würde seinen Gewinn daraus ziehen, jeder der Männer war daran interessiert, dass die Vase heil blieb. Aus diesem Grund hatte Martens es mit Männern zu tun, die abends am Feuer durch ihn hindurchsahen, so als sitze da kein Mensch mit Augen, Herz und Mund, die ihn andererseits aber auch beschützten und jeden Schaden von ihm fernhielten. In Yousef sahen sie eine Gefahr, denn aus irgendeinem Grund betrachtete Yousef Martens nicht als wertvolle Beute, sondern als Feind.
    He hates you, hatte Pason eines Abends gesagt.
    Why?, hatte Martens gefragt.
    I don’t know. He hates you. But Dilawar says to him: If you treat him bad, I kill you.
    Yousefs Tod hätte niemanden bekümmert, die anderen mieden ihn. Martens vermutete, dass es etwas mit jenem Abend zu tun hatte, an dem Dilawar das Lösegeld für Evren verteilt und Yousef versucht hatte, sich noch mehr Geld zu ergaunern, indem er behauptet hatte, die anderen hätten einen seiner Geldscheine eingesteckt. An den Feuern saß er meist abseits, einzig Ehsanullah gab sich mit ihm ab, wodurch Yousef in den Augen der anderen noch tiefer sank.
    Andererseits war Yousef ein ausgezeichneter Koch. Er hatte das Amt von Chargul geerbt, und so wie Ehsanullah sich durch Handreichungen und als ausdauernder Träger unentbehrlich machte, erkochte Yousef sich seine Daseinberechtigung, indem er das wenige, das da war, schmackhaft zubereitete. Den Reis röstete er, bevor er ihn kochte, und würzte ihn mit Asche, wenn es kein Salz gab.
    Jetzt wartete Yousef auf die Rückkehr von Ehsanullah und Pason, auf die Güter, die sie aus dem Dorf mitbringen würden, endlich genügend Salz, Weizenmehl, so viel du willst, ein Lamm, nein, am besten zwei. Wer aus nichts etwas kochen konnte, wie viel dann erst aus zwei Lämmern! Gestern Nachmittag, als sie aus der nassen Kälte hinabsteigend endlich die Wärme der Niederung erreicht hatten, hatte Yousef sich gebückt und mit der Hand ein Häufchen trockener Erde zusammengescharrt. Er hatte die Erde in seiner Faust aufbewahrt, und als Dilawar und Omar nicht hinschauten, hatte er sie Martens ins Gesicht geworfen.
    Der Schwung
    Ehsanullah und Pason kehrten zurück, mit einem Esel, beladen mit Säcken voller Reis oder Mehl. Am meisten freuten sich alle über die Lämmer, eins auf jeder von Ehsanullahs Schultern, die Beine zusammengebunden, sie blökten, sie sagten, endlich kriegt ihr etwas für das Geld in euren Taschen! Die Männer lachten, sie waren aufgeregt, sie stießen Yousef an, worauf wartest du, mach Feuer, koch uns das Essen, das wir verdient haben. Dilawar nahm Ehsanullah die Lämmer von der Schulter, er gab sie Yousef, der sie unter seine Arme klemmte. Auch die Säcke band Dilawar selber vom Esel, alle sollten sehen, dass er ihnen diese Güter verschafft hatte. Es passte ihm nicht, dass Pason die Melonen, die er mitgebracht hatte, auf die Erde rollen ließ, aber er konnte nicht mehr verhindern, dass die Männer sich darüber hermachten, ihre Messer blitzten in der Sonne auf.
    Martens sah, dass Pason Dilawar die Geldscheine zurückgab, die er von ihm erhalten hatte. Der Esel, verängstigt durch die Gerüche und Geräusche fremder Menschen, hob den Kopf und stieß heisere Laute aus, er schrie sein Unglück in den Himmel.
    Yousef griff in die Sträucher und brach Holz. Den Männer triefte der Melonensaft aus den

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