Das Leuchten
Tasten auf dem Videofon drückte. »Sie ziehen dir bei lebendigem Leib die Haut ab, drücken dir die Augen aus und lassen dich dann tanzen.«
»Wo hast du das denn aufgeschnappt?«, wollte ich wissen.
»Nirgends. Das habe ich mir ausgedacht«, gab sie zu. »Aber es könnte doch stimmen.«
»Ty, vielleicht hat sie ja die Taucherkrankheit«, sagte Hewitt und deutete auf Gemma.
»Bloß weil ich ein Topsider bin, heißt das noch lange nicht, dass ich mich nicht nützlich machen kann.« Sie versperrte mir den Weg. »Du wirst Hilfe brauchen.«
Ja, jede die ich kriegen kann, dachte ich. Ich blickte zu Hewitt, der sich auf den Boden gekauert hatte, und nacktes Grauen packte mich. Ich hatte keinen blassen Schimmer, worauf ich mich da einließ. Vielleicht konnte ich ihre Hilfe tatsächlich brauchen. »Okay, komm mit«, sagte ich seufzend und trat an den Rand des Moonpools. »Wir nehmen am besten das Ernteboot.«
»Der Doc meint, du sollst hierbleiben«, warnte mich Zoe.
Auf dem Bildschirm war der Doc zu sehen, er rief gerade: »Ty, warte auf deinen Vater!«
Ich schloss den Helm, damit ich ihn nicht mehr hören konnte.
»Dir bleiben nur noch fünfzehn Minuten«, sagte Hewitt.
Gemma stellte sich neben mich an die Kante des Moonpools. »Und was geschieht, wenn die fünfzehn Minuten vorüber sind?«
»Dann stirbt alles ab.«
Ich nahm einen tiefen Zug Liquigen und ließ mich ins Wasser fallen.
8
»Pass auf!«, rief Gemma, als ein Schwarm Thunfische das Ernteboot umringte.
Die aufgescheuchten Fische nahmen mir die Sicht, da sie im Lichtkegel bleiben wollten. Als ich die Scheinwerfer ausschaltete, verschwanden die Fische so schnell, wie sie gekommen waren. Ich hätte die Lichter früher ausmachen sollen. Wer wusste schon, ob die Seablite-Gang nicht ganz in der Nähe war! Ein paar Delfine schwammen vorbei, sie stießen ein warnendes Klicken aus.
Ich warf einen Blick auf die Anzeigen. Das Meereswasser war war m – viel zu warm dafür, dass wir auf dem Grund des Ozeans waren. Offenbar hatten wir die Grenze zum Anwesen der Peaveys bereits überschritten.
Die rot blinkenden Striche in der Ferne sagten mir, dass sich die batteriebetriebene Notbeleuchtung eingeschaltet hatte. Ich hielt auf das Haus der Peaveys zu, das wie ein riesiger Oktopus aussah, der mit seinen Tentakeln am Meeresboden angekettet war. Die schlaffen Wände verrieten mir, dass der Vorrat an Druckluft im Inneren bereits abgenommen hatte. Wenn ich es nicht schaffte, die Energieversorgung in Windeseile wiederherzustellen, würde das Haus einfallen und voll Wasser laufen. Bei der rasch sinkenden Wassertemperatur würden die Süßwasserfische umkomme n – die Peaveys hielten Goldmakrelen und Schnapper. Und ohne den Blasenzaun, der sie zurückhielt, würden alle anderen Schwärme wegschwimmen. Hewitts Familie würde ihr gesamtes Hab und Gut verlieren.
Ich deutete mit dem Kopf zum Sichtfenster und sagte: »Halte Ausschau nach der Specter . Das ist das U-Boot der Outlaws. Du hast es schon von unten gesehen. Von vorne sieht es aus wie ein riesiger Weißer Hai.«
»Der sein Maul aufgesperrt hat?«, fragte sie.
»Ja«, antwortete ich überrascht.
»Und dem eine dicke schwarze Blase im Rachen steckt?« Sie zeigte auf einen grauen Schatten, der links von uns auftauchte.
Die Specter !
Ich legte den Rückwärtsgang ein und fuhr mit der Erntemaschine zurück, so schnell ich nur konnte. Mit ausgeschalteten Lichtern würden die Outlaws unser klobiges Boot hoffentlich übersehen. Ich schob den Steuerknüppel nach vorne, die Erntemaschine tauchte nach unten ab und verschwand im zehn Meter hohen Seetang.
Einen Augenblick später schwebte die Specter über uns hinweg, geschmeidig wie ein richtiger Hai, nur zehnmal größer. Die Brücke befand sich in der vorderen Hälfte des U-Boots. Sie sah aus wie eine schwarze Blase aus Plexiglas. Irgendwo dort drin war Shade, für den kein Gesetz galt, der mehr Gespenst war als Mensch.
Gemma presste die Hand auf den Mund. Ich folgte ihrem entsetzten Blick zur Schwanzflosse des Boots, an die ein verwesender Leichnam angekettet war.
»Das soll ein Bandenmitglied gewesen sein, das Shade betrogen hat.«
»Warum nimmt sie keiner fest?«
»Die Regierung hat uns diese Aufgabe übertragen«, sagte ich nicht ohne Bitterkeit. Als ob Siedler, Leute wie meine Eltern, mit dieser Bande fertig werden könnten! Der Abgeordnete Tupper hatte offenbar den Verstand verloren. »Der Ranger hat das Versteck der Bande nie gefunden, was es nicht
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