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Das Leuchten

Das Leuchten

Titel: Das Leuchten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kat Falls
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die Unterseeischen Gebiete zu kommen«, sagte sie.
    Das überraschte mich nicht. Ich wusste längst, dass Gemma nicht zu der Sorte Mädchen gehörte, die lange um Erlaubnis fragten.
    »Du bist also weggelaufen?«
    Sie nickte und sah einem Seestern zu, der am Fenster hinaufkletterte. »Die Direktorin, M s Spinner, steht wahrscheinlich kurz vor einem Herzinfarkt.« Gemma lächelte grimmig. »Sie will eine größere Wohnung. Aber jedes Mal, wenn ein Kind aus dem Internat abhaut, rutscht sie auf der Warteliste ein paar Plätze nach unten. Ziemlich frustrierend, denn Platz für sich zu haben, ist ja das wichtigste aller Statussymbole bei uns. Na ja, und da ich häufiger ausreiße, sind ihre Chancen, bald umziehen zu können, inzwischen gewaltig geschrumpft. Meistens stehle ich mich einfach übers Dach davon. Dort ist es zwar brütend heiß und es stinkt nach Teer, aber es ist der einzige Ort, an dem ich mich nicht eingesperrt fühle.«
    Ich verstand, was es hieß, sich eingesperrt vorzukommen, nur würde ich dieses Gefühl oben nie loswerden. Allein ein glühend heißes Dach wäre für mich die Hölle.
    Gemma sah mich an. »M s Spinner hat mir gedroht. Wenn ich noch ein einziges Mal verschwände, würde sie mich in eine Erziehungsanstalt für jugendliche Straftäter stecken.«
    »Nur weil du deinen Bruder suchst?«, fragte ich ungläubig.
    »Sie hat Richard aus einem viel nichtigeren Anlass weggeschickt: Er ist in einen Familienraum gegangen, der schon geschlossen war.«
    »In einen was ?«
    »Da sieht man wieder, dass du dich oben«, sie deutete vage zur Decke, »nicht besonders gut auskennst. Wenn Eltern ihre Kinder besuchen, mieten sie einen Familienraum. Dort stehen Sofas, es gibt Spiele und eine Küche. Als ich jünger war, bin ich jeden Samstag in der Besucherhalle auf und ab gegangen und habe durch die Glasscheiben gespäht. Ich tat so, als würde ich für meine Familie einkaufen.«
    Ich hatte einen Kloß im Hals bei der Vorstellung, wie sie alleine herumstromerte, während um sie herum die Stimmen und das fröhliche Gelächter anderer Menschen widerhallten.
    »Wie auch immer«, fuhr sie fort, »manchmal, spätnachts, hat Richard das Türschloss eines dieser Zimmer aufgebrochen, und wir haben uns dort getroffen. Obwohl ich noch klein war, ist es mir immer gelungen, mich aus dem Schlafraum davonzustehlen. Wir haben dann zusammen gegessen und er hat mir vorgelese n – als wären wir eine richtige Familie. Danach haben wir wieder aufgeräumt, damit ja niemand merkte, dass wir da gewesen waren. Mit Richard hat sogar das Aufräumen Spaß gemacht.«
    »Warum habt ihr euch denn nicht einfach tagsüber dort getroffen?«
    »Wir hatten nicht das Geld dazu. M s Spinner hat Richard einen Dieb genannt, als sie uns auf die Schliche kam. Er hat Platz gestohle n – ein schlimmes Vergehen. Und deshalb hat sie ihn in eine Besserungsanstalt geschickt, aber sie wollte mir nicht sagen, in welche.« Gemmas Stimme versagte, aber sie weinte nicht.
    Ob sich Gemma die Schuld daran gab? »Ich wette, er hat die Zeit mit dir nie bereut«, sagte ich tröstend.
    Sie zuckte mit den Schultern, als wäre sie sich dessen nicht so sicher. »Ich habe danach vier Jahre lang nichts mehr von ihm gehört. Als er endlich achtzehn war, haben sie ihn freigelassen.«
    »Hatte er sich verändert?«
    »Früher hat er viel gelacht, aber als er zurückkam, hat er kaum noch gelächelt. Nach sechs Monaten hat er sich aus dem Staub gemacht. Er sagte, er könne die vielen Menschen nicht mehr ertragen. Ich glaube, aus diesem Grund lebt er jetzt unter Wasser.« Sie legte eine Hand auf meinen Arm. »Ty, bitte hilf mir, ihn zu finden.«
    Wie hätte ich da Nein sagen können?

13

    »So habe ich das mit dem Helfen nicht gemeint«, sagte ich wütend. Wir standen auf dem Servicedeck vor dem Aufzug der Handelsstation. Ich wollte ihr helfen, ihren Bruder zu finden, doch ich wurde das Gefühl nicht los, dass ich dabei mein eigenes Leben völlig auf den Kopf stellte.
    »Du hast es aber versprochen«, erinnerte sie mich. »Und überhaupt, es ist helllichter Tag. Der Saloon ist wahrscheinlich wie ausgestorben. Wir hätten gestern Abend kommen sollen.«
    »Ob Tag oder Nacht ist egal. Auf dem Gemeinschaftsdeck wimmelt es sicher von Menschen. Die Minenarbeiter und die Küstenaufseher bekommen freitags alle ihren Lohn und mieten sich dann fürs ganze Wochenende im Bienenstock ein. Und die Schürfer tauchen hier auf, um zu spielen. Genau wie die Putzleute und die Bootsknechte. Steck

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